Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten
dich. Eine nachlässige Haltung, gespreizte Ellenbogen oder Reden mit vollem Mund sind einfach nicht akzeptabel. Es ist einfach eine Frage der Höflichkeit gegenüber den anderen Menschen am Tisch.
Außerdem«, fuhr sie fort, »wirst du dich morgen an einer renommierten Schule einschreiben. Du wirst in der Cafeteria mit anderen jungen Leuten zusammen essen, die aus den besten Häusern kommen. Da willst du doch nicht albern wirken, oder? Es sei denn«, ergänzte sie mit einem winzigen Lächeln, »du bist in Wirklichkeit albern.«
»Ich bin nicht albern«, protestierte ich.
»Gut. Du hast eine gute Haltung. Das ist zumindest ein Anfang«, sagte sie. »Bis zum heutigen Tag sackt Megan in sich zusammen. Manchmal glaube ich, sie tut es absichtlich, aus reinem Trotz.«
Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass meine Mutter in dem französischen Restaurant in Georgetown in sich zusammengesackt war, aber ich war so aufgeregt, sie kennen zu lernen, dass mir das leicht entgangen sein konnte.
»Ich weiß einiges über gute Tischmanieren«, sagte ich. »Ich weiß, dass man die Ellenbogen nicht auf den Tischt legen darf.«
»Also, das stimmt nicht immer«, sagte sie und zögerte, als Merilyn den Salat auftrug. Meine Großmutter beobachtete mich. Ich wartete ab, um zu sehen, was sie tat.Wieder kräuselte ein schwaches Lächeln ihre Lippen.
»Die Gabel und der Löffel oberhalb deines Tellers sind für unser Dessert. Ich habe ein englisches Trifle machen lassen, natürlich nicht von Merilyn. Dazu fehlen ihr die Fähigkeiten. Wenn es serviert wird, werde ich dir erklären, wie du Gabel und Löffel benutzt. Im Augenblick denke einfach daran, dass du das Besteck von außen nach innen benutzt, die Gabel außen links ist also deine Salatgabel«, erklärte sie und griff nach ihrer.
»Warum sagten Sie, es träfe nicht immer zu, dass man den Ellenbogen nicht auf den Tisch legen darf? Ich dachte immer, das gehörte sich nicht. Mama hat mir das beigebracht.«
Sie kaute ihr Essen, schluckte, betupfte die Lippen mit der Serviette und beugte sich dann auf die Ellenbogen gestützt vor.
»Eine Frau wirkt viel anmutiger so als so«, sagte sie, nahm die Ellenbogen herunter und beugte sich über den Tisch. »Mit den Händen im Schoß, linkisch nach vorne gebeugt, sehe ich doch aus, als hätte ich Krämpfe, nicht wahr?«
Zum ersten Mal lächelte ich, aber sie wollte nicht komisch sein.
»Also, stimmt es oder nicht?«
»Ich denke schon.«
»Lege deine Ellenbogen nicht auf den Tisch, wenn du isst, sondern nur wenn du mit jemandem sprichst, der auf der anderen Seite des Tisches sitzt, verstanden?«
Im Laufe der Mahlzeit fuhr sie fort mich zu belehren, wie ich das Besteck halten sollte, wie ich um Dinge bitten sollte und wie ich schwierige Speisen richtig esse. Mir war bis dahin nicht klar, wie kompliziert anständige Tischmanieren
sein können. Nach dem Essen, als das englische Trifle serviert wurde, zeigte sie mir, wie ich Gabel und Löffel benutzen sollte, um es zu essen.
»Hat Ihre Mutter Ihnen das alles beigebracht?«, fragte ich sie.
»Meine Mutter? Wohl kaum«, erwiderte sie bitter. »Sie schickten mich auf eine private Vorschule, eine Privatschule und ein Mädchenpensionat, um den letzten Schliff zu bekommen. Ich war mehr weg als zu Hause, aber wenn ich mich am Tisch nicht anständig benahm, wurde ich ohne Abendessen auf mein Zimmer geschickt.«
»Haben Sie Geschwister?«
»Ich habe eine jüngere Schwester, Leonora, die in London lebt. Keine Brüder«, fügte sie hinzu. »Leonora ist mit einem Barrister verheiratet.Weißt du, was das ist?«
»Ja, ein Anwalt«, sagte ich. »Ich glaube, einer von der Sorte, die Fälle vor Gericht vertreten.«
»Sehr gut«, lobte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. »Du bist wohl wirklich eine gute Schülerin. Wie ist dir das gelungen unter den Lebensbedingungen, die Megan beschrieben hat?«
»Ich weiß nicht, was meine Mutter Ihnen erzählt hat, aber Mama wollte immer, dass wir gut sind in der Schule. Sie ließ nicht zu, dass meine Schwester Beni und ich nach der Schule arbeiteten, weil sie fand, das würde unsere Schulleistungen beeinträchtigen, dabei hätten wir das Geld wirklich brauchen können«, sagte ich.
»Ich verstehe. Es hört sich so an, als sei deine Mama eine kluge Person.«
»Das ist sie, und auch so liebevoll. Was uns passiert ist, ist einfach nicht fair.«
Die Augen meiner Großmutter wurden schmal und kalt.
»Warum war sie so versessen darauf, dich aufzugeben?«
»Sie
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