Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht
dort zermahlen wie Gemüse in einem Mixer. Etwas mit einer blockierten Arterie ist alles, an das ich mich noch erinnere. Das und ihre ziemlich dramatische Bitte, dass Sie sie so bald wie möglich zurückrufen.
Ich muss schon sagen, Frances ist mir ein Rätsel geworden«, fügte sie hinzu und richtete den Blick auf mich. »Sie können direkt hier das Telefon benutzen«, sagte sie und nickte zu dem Apparat auf dem kleinen Sekretär rechts neben ihrem Bett. Ich wusste, dass sie das wollte, damit sie bei dem Gespräch zuhören
konnte.Aber ich wusste nicht, wie ich das vermeiden konnte.
»Ich habe Ihnen die Nummer und die Vorwahlnummern aufgeschrieben. Natürlich hat sie ein Privatzimmer.«
»Danke«, sagte ich und ging zum Telefon.
»Mr Endfield war so aufgebracht darüber, dass ich krank geworden bin und den Tag ruiniert habe, dass er auf der ganzen Rückfahrt kaum eine Silbe gesagt hat«, murmelte sie. »Das alles hat dazu geführt, dass ich mich ganz elend fühle. Und jetzt ist Frances wieder im Krankenhaus. Oje, oje, oje. Immer wenn es in Kannen gießt, regnet es«, jammerte sie.
»Sie meinen wohl, immer wenn es regnet, gießt es in Kannen«, sagte ich. Sie überlegte einen Augenblick.
»Ja, wirklich? Ja, ich glaube schon. Sie müssen es natürlich wissen, bei Ihrem Namen.« Sie schloss die Augen und stöhnte.
Ich las die Telefonnummer, wählte und wartete. Es klingelte nur zweimal. Ich hörte, wie Großmutter Hudson hallo sagte. Ich wusste, dass wir uns über eine große Entfernung hinweg unterhielten, aber ihre Stimme klang viel kräftiger als beim letzten Mal.
»Hier ist Rain«, erwiderte ich. »Was ist los, Mrs Hudson?«
»Dieser Idiot von einem Arzt und sein Spezialist haben entschieden, dass hinter meinem Problem wohl noch mehr steckt. Sie wollen irgendetwas Lächerliches mit einem Ballon unternehmen, der meine
Arterie öffnen soll. Etwas, das bestimmt in den Bereich der Science-Fiction gehört. Aber sie bestehen darauf, dass ich tot umfalle, wenn ich das nicht machen lasse.
Ich habe deinen Brief in der Hand«, fügte sie nach einer sehr kurzen Pause hinzu. »Wie weit ist dieses Melodrama mittlerweile gediehen?«
»Ich habe ihn besucht«, sagte ich.
»Bei ihm zu Hause?«
»Ja.«
»Und?« »Und?« »Und?«
»Sie sind alle sehr nett.«
»Und?«, drängte sie weiter.
»Seine Familie weiß noch nichts von mir«, enthüllte ich. »Er sagt, er will es seiner Frau sagen, aber ich bat ihn, das nicht zu tun.«
»Sehr klug. Du hast mich um meinen Rat gebeten und er lautet einfach, lass es sein. Was passiert ist, ist passiert, und zu viel Zeit ist vergangen. Niemand will an seine Fehler erinnert werden, Rain.«
»Ich glaube nicht, dass er mich so sieht«, sagte ich.
»Trotzdem, wenn er das seiner Frau erklären muss, wird er es so beschreiben. Einmal als er noch jung und achtlos war, etwas in der Art«, sagte sie.
Ich erinnerte mich an mein erstes Gespräch mit meinem Vater und seine Beschreibung von ihm und meiner Mutter, die damals rebellische junge Leute ohne Verantwortungsgefühl waren.Vermutlich hatte Großmutter Hudson Recht. Sie war wirklich sehr weise.
»Schließlich«, prophezeite sie, »wirst du doch zurückgewiesen, ganz gleich wie nett sie dir jetzt erscheinen, Rain. Investiere nicht zu viel Hoffnungen in diese Situation. Konzentriere dich jetzt auf dein Ziel, dein eigenes Leben.«
»Okay«, sagte ich. Mir schnürte es die Kehle zu. Ich hätte so gerne gesagt: »Okay, Großmutter«, aber ich wusste, dass meine Großtante an jedem Wort hing und ich hinterher ins Kreuzverhör genommen wurde.
»Meine Schwester ist in der Nähe?«, fragte sie, als könnte sie durch die Telefonleitung schauen und sehen, wie traurig ich war und dass mir Tränen in die Augen gestiegen waren.
»Ja.«
»Ich dachte, sie stünde kurz davor, vom Sensenmann hinweggerafft zu werden«, spottete sie. »So ein Stöhnen und Ächzen hab ich ja noch nie gehört, und dabei liege ich im Krankenhaus.«
»Sie liegt im Bett und wird wegen einer Allergie behandelt.«
»Sag ihr, es könnte noch mehr dahinter stecken«, soufflierte meine Großtante von hinten und bewies dadurch, dass sie tatsächlich jede Silbe mitbekommen hatte.
»Sie sagt, ich soll Ihnen mitteilen, dass es mehr sein könnte als eine Allergie.«
»Natürlich. Sie hat schon immer Aufmerksamkeit gesucht. Deshalb konnte ich ihre Ehe nie verstehen und ihre Entscheidung, in einem Land zu leben, wo
jeder danach beurteilt wird, wie gut er Haltung bewahren
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