Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht
wird in der Theaterwelt schnell einen Eindruck hinterlassen.«
Er hielt inne und beugte sich wieder zu mir vor, die Hand vor dem Mund, als wären noch andere Menschen im Zimmer, vor denen er seine Worte verbergen wollte.
»Sie müssen entscheiden, wie viel von dem, was er sagt, echt und was nur ein Trick ist. Das erfordert Erfahrung«, fügte er hinzu und setzte sich zurück. »Also, sollen wir anfangen? Einen Augenblick«, unterbrach er, »es ist zu hell hier drinnen. Gar nicht so, wie es auf der Bühne sein würde.«
Er stand auf und zog alle Vorhänge dicht zu. Dann setzte er sich wieder und nickte.
»Sobald Sie bereit sind, können wir anfangen«, sagte er.
»Bereit?«
»Zu lesen. Fangen Sie an«, forderte er mich auf und schnipste mit der rechten Hand.
»Na gut.« Ich fing an. »Horace, ich wünschte, du wärst heute Abend nicht hergekommen. Du weißt doch, wie ich unsere Beziehung empfinde.«
»Wie du zu empfinden glaubst«, sagte er und rutschte näher an mich heran. Bevor ich wusste, was ich erwarten musste, hatte er die Finger unter mein Kinn gelegt und schaute mir tief in die Augen. Es war seltsam, ihm so nahe zu sein.
»Unser unterschiedliches Alter beruht nur auf Zufällen der Geburt«, fuhr er fort und hielt immer noch mein Kinn. Wir können die Zeit nicht wie eine Mauer zwischen uns stehen lassen.«
Ich wich ein wenig zurück. »Aber Horace, deine Tochter und ich sind beste Freundinnen. Es würde ihr das Herz brechen.«
»Nicht um ihr Herz mache ich mir im Moment Sorgen«, fuhr er fort und rückte näher an mich heran. »Das machen Sie sehr gut, Rain«, fügte er mit sanfter Stimme hinzu, »aber versuchen Sie mich anzuschauen, wenn Sie sprechen, und zeigen Sie mir, dass Sie etwas sagen, aber etwas ganz anderes fühlen. Versuchen Sie es«, forderte er mich auf.
»Ich kann das nicht, Horace«, las ich und schaute schnell zu ihm auf. Er starrte mich an.
»Deine Augen verraten mir etwas anderes, Constance, und deine Lippen auch«, sagte er, packte mich an den Schultern und drehte mich so abrupt herum, dass mir die Blätter aus der Hand flogen. Dann presste er seine Lippen so fest auf meine, dass mir die Luft wegblieb. Seinen Mund noch auf meinem, ließ er
die Hand sinken, um den Reißverschluss meines Kleides noch weiter zu öffnen. Dann wich er ein wenig zurück, um das Kleid herunterzuziehen.
Ich war zu geschockt und verblüfft, um mich zu rühren oder auch nur einen Ton hervorzubringen.
»Du bist wunderschön, Rain. Genau, wie ich gehofft hatte. Ich werde dich zum Star machen. Dein Name wird in Leuchtschrift in ganz London stehen. Vertrau mir«, sagte er und beugte sich vor, um meinen Hals zu küssen.
»Was tun Sie da?«, rief ich und zog das Kleid wieder hoch.
Der lüsterne Blick in seinen Augen verflog sofort und wurde schnell ersetzt durch den strengen, väterlichen Ausdruck, mit dem er mich vorher betrachtet hatte.
»Gut«, lobte er. »Das hatte ich gehofft, aber du bist immer noch in Gefahr hier.Wir fangen noch einmal an, und ich zeige dir eine andere Möglichkeit, das anzugehen. Mach dich wieder zurecht, während ich nach draußen gehe. Ich klingele dann wieder«, sagte er und stand auf.
»Nein!«, rief ich, als er die Tür öffnete. »Das kann ich nicht. Das will ich nicht«, sagte ich und stürzte an ihm vorbei, als er sich überrascht umdrehte.
Ich rannte aus dem Cottage.
»Heather!«, hörte ich ihn rufen. Das war der Name seiner toten Tochter. Ich blieb stehen und schaute zu ihm zurück, wie er in der Tür des Cottage stand. Ein noch kälterer Schauer durchfuhr mein Herz, und ich
rannte auf das Haus zu.Als ich um die Ecke bog und auf die Haustür zulief, sah ich Boggs wie eine grimmige Statue zu meiner Linken stehen und mich beobachten.
Ich hechtete förmlich durch die Haustür, den Gang entlang zu meinem Zimmer, wo ich schnell dieses närrische Kleid auszog und es zu Boden warf. Dann setzte ich mich aufs Bett und versuchte, wieder zu Luft zu kommen.
War es Wahnsinn oder Kummer, der ihn dazu trieb, diese Dinge zu tun, fragte ich mich. Mir blieb nicht viel Zeit, darüber nachzudenken. Meine Tür wurde so heftig aufgestoßen, dass sie in den Angeln quietschte. Boggs stand da und starrte mich an. Ich bedeckte mich rasch mit den Händen.
»Sag bloß nichts Unanständiges über Mr Endfield«, warnte er mich.
Dann schloss er die Tür.
»Oh, Mama«, stöhnte ich. »Wenn du nur die Wahrheit gekannt hättest über die Leute, von denen du dir meine Rettung erhofft hast. Dann
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