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Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht

Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht

Titel: Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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hättest du mich vielleicht das Risiko eingehen lassen, in der Hölle zu bleiben, die wir wenigstens verstanden.«

KAPITEL 13
    Die Gelegenheit beim Schopfe packen
    N atürlich machte es mich sehr nervös, dass ich Großonkel Richard und Großtante Leonora am nächsten Morgen das Frühstück servieren sollte. Ich war erschöpft und fiel sofort in dem Augenblick, als ich den Kopf auf das Kissen senkte, in einen komaartigen Zustand, aber schon bald begann ich mich aus Angst vor dem Erwachen hin- und herzuwälzen, dass mir Arme und Beine schmerzten, als ich tatsächlich wach wurde. Ich hatte das Gefühl, kilometerweit geschwommen zu sein.
    Ich glaube, bis kurz vor dem Aufwachen träumte ich nicht. Gerade als die Sonne aufging, tauchte ich in Alpträume, in denen ich wie ein Baby gekleidet in einer Riesenwiege lag. Ich trug nur eine Windel. Großonkel Richard war ein Riese, der nach mir griff. Seine Hände wirkten riesengroß und am Ende jedes Fingers saßen kleinere Versionen seines Kopfes. Vielleicht habe ich im Traum auch geschrien, aber Boggs kam nicht, um nachzusehen, was passiert war, falls er es überhaupt gehört hatte. Ich hörte mich weinen und sah mich in einen Wald laufen, in dem sich ein Baum nach dem anderen in Boggs verwandelte,
der die Arme wie dicke Zweige nach mir ausstreckte.
    Nachdem ich aufgestanden und ins Badezimmer gegangen war, schaute ich mich im Spiegel an und sah Augen, die glasig und noch schläfrig wirkten. Die Lider hingen herab wie Flaggen an einem Tag ohne Wind. Ich brachte nicht die Energie auf, mein Aussehen zu verbessern. Ich ließ mich von meinen Beinen durch den Flur zur Küche tragen, als ob die obere Hälfte von mir noch nicht wach wäre.
    »Sieht so aus, als sei ich heute Morgen als Einzige munter«, kommentierte Mrs Chester, sobald sie mich erblickte. »Was hast du gemacht, hast du dich gestern ordentlich voll laufen lassen?«, fragte sie mich.
    »Voll laufen lassen? Sie meinen betrunken?«
    »Nenn es, wie du willst, das Ergebnis is das gleiche. Du siehst aus wie ausgekotzt.«
    »Nein, ich habe mich nicht voll laufen lassen«, erwiderte ich scharf. »Ich lasse mich nicht voll laufen.«
    »Also, ein Blick auf dich verrät mir, dass du irgendwie Raubbau mit deiner Gesundheit getrieben hast, Schätzchen«, beharrte sie.
    Sie konnte einen so wütend machen, dass ich im Magen ein Gefühl hatte, als hätte ich eine Hand voll Stecknadeln verschluckt. Ich beschloss, sie zu ignorieren und einfach meine Arbeit zu tun. Mary Margaret kam aus dem Speisezimmer, wo sie den Tisch gedeckt hatte. Sie wirkte blass, ihr Blick verhangen. Sie warf mir einen raschen Blick zu und wandte sich
dann ab. Ich sah, dass Mrs Chester sie aus dem Augenwinkel beobachtete.
    »Bewegt euch«, befahl sie. »Sie kommen in einer Minute herunter«, trieb sie uns an.
    Ich war überrascht, dass Großtante Leonora ins Speisezimmer kam, so wie sie sich gestern Abend gefühlt hatte. Sie sagte, sie müsste aufstehen und sich in einen präsentablen Zustand bringen, weil sie einen wichtigen gesellschaftlichen Termin hatte, ein Essen, an dem sie unbedingt teilnehmen musste. Die Einnahmen aus einer Wohltätigkeitsveranstaltung wurden gezählt. Dennoch ließ sie uns alle wissen, was für ein großes Opfer das für sie war. Sie klagte über ihre Nase und ihren Hals und wie schwer sich ihr Kopf anfühlte.
    »Ich hoffe nur, ich komme gut zurecht. So viele Menschen hängen von mir ab«, behauptete sie.
    Großonkel Richard sagte nichts. Er las seine Zeitung, und abgesehen von einem Blick, als ich das Speisezimmer betrat, würdigte er mich während der Arbeit keines weiteren Blickes. Dieser eine Blick genügte jedoch, um mein Herz in eine Trommel mit zu straff gespanntem Fell zu verwandeln. Jedes Pochen meines Herzens versetzte mir einen dumpfen Schlag im Kopf und raubte mir die Luft, als ob eine große, kräftige Hand mir den Hals zusammenquetschte. Großonkel Richard hatte einen seltsamen und gehetzten Blick, der aber ebenso schnell wieder verschwand, wie er gekommen war, und zurück blieb der förmliche, steife Mensch, dem gegenüber
man ganz gewiss das Cottage, und was er dort getan hatte, nicht erwähnen konnte.
    Großtante Leonora hasste langes Schweigen und redete unaufhörlich, während sie an ihrem Toast knabberte. Ihre Worte prallten von der Rückseite von Großonkel Richards Zeitung ab, die er hochhielt wie ein Schild.
    Wenn sie ihm eine Frage stellte, musste sie das zweimal tun. Dann senkte er die Zeitung, um seine Antwort

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