Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht
landwirtschaftlichen Werkzeuge, Schwerter und Helme. Alles sah aus, als gehörte es in ein Museum. Der Wirt stellte Randalls Limonade und meinen Shandy auf die Theke, und Randall holte sie ab.
Alle kehrten zu ihren Unterhaltungen zurück, als wären wir nicht da.
»Das macht Spaß, hm?«, fragte Randall.
»Ja. Alle wirken so … freundlich.«
»Die meisten Pubs gehören einer der großen Brauereien. Die in Privatbesitz nennt man Freehouses. Dieses hier ist ein Freehouse. Normalerweise haben sie eine größere Auswahl an Bier. Schade, dass ich nicht auch welches trinken kann«, sagte er leise. »Na los. Trink deins. Das Bier hier ist anders als in Amerika. Sie servieren es bei Zimmertemperatur statt kalt.«
»Tatsächlich? Warum?«
»Vermutlich weil es besser schmeckt«, erklärte er.
Ich lehnte mich zurück und musterte ihn einen Augenblick.
»Warum lächelst du mich so an?«
»Für jemanden, der angeblich nicht viel herumgekommen ist, der immer in Musikzimmern eingesperrt war, erscheinst du mir aber recht … weltgewandt.«
»Wie gesagt, das habe ich alles aus Büchern. Ich habe schon immer viel gelesen. Wenn ich zu meinem Unterricht fuhr, hatte ich immer ein Buch dabei, denn manchmal musste ich warten, bis mein Lehrer mit dem vorherigen Schüler fertig war. Und wenn du nicht viel mit Freunden zusammen bist, gewöhnst du dich daran, deine Freizeit mit einem Buch zu verbringen«, sagte er und zuckte die Achseln, als sei das die selbstverständlichste Sache von der Welt.
Er schwieg einen Moment und beugte sich dann vor.
»Wie ist das mit dir? Verbringst du deine freie Zeit
auch mit Büchern? Oder hast du einen Freund, der zu Hause auf dich wartet?«
»Nein, ich habe keinen Freund.«
»Hattest du schon viele Freunde? Du hast mich gefragt, also kann ich dich auch fragen«, hakte er schnell nach. Ich musste lachen.
»Nein, eigentlich nicht«, sagte ich. »Ich hatte zu viel damit zu tun, Mama zu Hause zu helfen. Sie war immer so müde.«
»Also haben wir beide eine ganze Menge nachzuholen«, sagte er.
»Ja wirklich? Ich weiß nicht, Randall Glenn. Manchmal hörst du dich erfahrener an, als du zu sein behauptest.«
»Was?« Er schaute richtig verwirrt drein und wurde so feuerrot, dass ich glaubte, er würde explodieren. Es war schwer zu glauben, dass ein Junge, der so aussah wie er, wirklich so unschuldig war.
Ich trank mein Ale und zuckte die Achseln.
Als unsere Shepherds Pies fertig waren, brachte die dunkelhaarige Lady sie an unseren Tisch und fragte uns, ob wir sonst noch etwas wollten. Sie waren so heiß, dass wir warten mussten, bis sie ein wenig abgekühlt waren, aber sie schmeckten köstlich.
Plötzlich fingen am anderen Ende des Pubs zwei Männer, die um die vierzig waren, an zu singen.
»Fill up the cider cup,
Have another round,
Of all the Drinks in England,
No better can be found.«
»Das kenne ich auch«, verkündete Randall, und als besäße seine Stimme ein eigenes Leben und träte immer in Erscheinung, wann sie wollte, begann er mitzusingen. Seine geschulte Stimme trat sofort deutlich in den Vordergrund, und binnen weniger Augenblicke schauten uns alle im Pub an. Am liebsten wäre ich unter den Tisch gekrochen.
Aber zu meiner Überraschung nahm niemand Anstoß an seiner Einmischung.Weitere Gäste begannen mitzusingen, und binnen kurzem klang das Lied im ganzen Lokal wider. Am Ende applaudierten alle.
»Na, das ist mal’ne Stimme, Charlie. Sorg dafür, dass er wiederkommt«, erklärte eine mollige, vergnügt wirkende Frau am Tresen.Viele unterstützten ihren Vorschlag.
»Gib dem Jungen ein bisschen was zu trinken dafür«, rief jemand aus der Ecke.
»Ja, gib deinem Herzen einen Stoß, Charlie.Trenn dich von dem kostbaren Nektar.«
Wieder ertönte Gelächter.
»Ich zahle dafür, Charlie«, verkündete der schlanke Mann mit dem vorstehenden Adamsapfel und knallte Geld auf die Theke.
»Er muss achtzehn sein. Sieh doch nur, wie groß er ist.«
»Ja«, bestätigte die Frau neben ihm. »Ein junger Mann mit solch einer Stimme sollte nicht leer ausgehen, Charlie.«
»In Ordnung, Leute. Haltet die Klappe«, sagte der Wirt. Wenige Augenblick später brachte er ein Pint
Ale an unseren Tisch. »Ein Geschenk von Ihren Fans, mein Junge«, sagte er.
Randall riss die Augen vor Freude weit auf, als er mich anschaute. Ich wusste nicht, was ich tun oder sagen sollte.
Ich probierte es auch, um zu sehen, wie es schmeckte. Randall trank das Glas aus, bevor wir unsere Shepherds Pies gegessen
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