Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht
kennen zu lernen.«
Seine Frau tauchte in der Tür auf, wischte sich die Hände an einer Spitzenschürze ab und lächelte mir zu.
»Das muss Rain sein«, sagte sie sanft. Sie hatte wunderschöne Augen, dachte ich, so lebhaft und intelligent.
»Ja, Rain, meine Frau Leanna.«
»Guten Tag«, sagte sie. »Alexandra, würdest du Rain bitte ins Wohnzimmer führen. Es ist so ein schöner Tag heute«, meinte sie zu mir. »Ich dachte, wir könnten im Garten Tee trinken.«
»Ja, es ist ein schöner Tag. Seit ich in London bin, habe ich gelernt, das zu schätzen«, sagte ich, und beide lachten.
»Sich an das englische Wetter zu gewöhnen war auch für mich am schwierigsten«, sagte er. »Noch schwerer als an den Linksverkehr, nicht dass ich so viel fahre. Wir haben hier ein ziemlich gutes öffentliches Verkehrssystem, wie Sie bestimmt schon bemerkt haben. Ich komme sofort«, fügte er hinzu. Er schaute zu Alexandra, die darauf wartete, dass ich ihr ins Wohnzimmer folgte.
Es war ein gemütlicher und eleganter Raum im rustikalen Cottagestil. Auf jedem Tisch standen frische Blumen. Die Wände rund um den Kamin waren mit Büchern bedeckt, die meisten davon Ledereinbände auf eingebauten polierten Holzbrettern. Alle Wände waren korallenrot gestrichen, an der zu meiner Linken war eine Gruppe chinesischer Teller ausgestellt. Die Möbel waren in Chintz mit einem Blumenmotiv bezogen, in der Mitte stand ein großer Klapptisch. Zwei große Orientteppiche dienten als Farbtupfer auf dem glänzenden Parkettboden. Spitzenvorhänge waren vor das Erkerfenster gezogen, das zur Straße hinausging. Sofort kam mir der Gedanke, dass Leanna mich dort entdeckt haben musste, wie ich das Haus beobachtete.
Ich lächelte William an, der mich nur eindringlich anstarrte.
»Bitte, setzen Sie sich doch«, bat Alexandra mich und deutete auf ein kleines Sofa.
Das tat ich, und sie nahm in dem Sessel mir gegenüber Platz. William blieb stehen und starrte mich weiter an.
»Setz dich, William«, befahl Alexandra. »Es ist unhöflich, so zu starren«, fügte sie hinzu.
Er schaute rasch beiseite und setzte sich. Er trug eine Hose und ein blütenweißes Hemd. Sein Haar war auf der rechten Seite gescheitelt und ordentlich zurückgekämmt. Ich fand ihn sehr niedlich, er war auf dem besten Wege, ein gut aussehender junger Mann zu werden.
Alexandra glich ihrer Mutter mit den gleichen schmalen Gesichtszügen, der Haar- und Augenfarbe. Sie trug ein rosa-weißes Kleid und hatte ihr Haar zu einem festen Zopf geflochten.
»Wie lange sind Sie schon in England?«
»Ein paar Monate.«
»Ich hoffe, dass ich bald nach Amerika fahre, besonders nach New York.«
»Du fährst nicht bald«, korrigierte William sie scharf.
»Ich hoffe es«, wiederholte sie. »Daddy sagt, wir werden in nicht allzu langer Zeit fahren.«
»Er sagte, in ein paar Jahren.«
»Also, das ist doch nicht so viel länger, oder? Unser Vater hat Verwandte in New York. Einmal kam ein Cousin zu Besuch. Er war viel älter.«
»Und dicker«, ergänzte William.
»William«, blaffte sie und starrte ihn vernichtend an.
Dann wandte sie sich an mich und schüttelte den Kopf, als wäre sie viele Jahre älter als er. »Mein Bruder spricht manchmal, bevor er denkt. Eigentlich sogar meistens«, meinte Alexandra und warf ihm noch einen Blick zu. Sie drehte sich mit einer bemerkenswert vollkommenen Haltung wieder mir zu.
»Wie alt bist du?«, fragte ich sie.
»Ich bin zwölf, und William ist acht, obwohl er sich oft benimmt wie ein Zweijähriger«, feuerte sie eine Breitseite in seine Richtung ab. Er verzog die Mundwinkel. Sie wandte sich wieder an mich. »Daddy sagt, Sie studieren, um Schauspielerin zu werden.«
»Ich besuche eine Schule für darstellende Künste. Ich weiß nicht, ob ich wirklich jemals Schauspielerin werde.«
»Daddy sagt, man muss etwas von ganzem Herzen wollen, sonst hat man nie Erfolg«, erwiderte sie.
»Damit hat er Recht.«
»Ich werde Großwildjäger und lebe in Afrika«, verkündete William. »Bei Verwandten.«
»Wir haben keine Verwandten in Afrika. Ich sage ihm das dauernd, aber er besteht darauf, weil ein Schulfreund von ihm ihm erzählt hat, die Familie unseres Daddys stamme aus Afrika. Sie kamen tatsächlich aus Afrika, aber das ist schon sehr, sehr lange her,William.«
»Was meinen Sie?«, fragte er mich.
»Also, vermutlich gibt es irgendwo in Afrika Verwandte«, sagte ich.William wirkte wie erlöst. »Deine
Schwester hat jedoch Recht. Sie zu finden wäre nahezu
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