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Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht

Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht

Titel: Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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eine Bank setzen. Es war ein wunderschöner Tag mit wenigen Wolken und viel blauem Himmel. Es wehte auch eine wärmere Brise. Ich mochte den frischen sauberen Duft, der hier dem Niederschlag folgte.
    Beschwingt vom Wetter und meiner eigenen Bereitschaft zu vergeben, hüpfte ich förmlich die Straßen entlang. Ich wusste, dass Randall samstags lange schlief und bestimmt gerade erst aufstand.
    »Wir müssen zum Unterricht immer so früh aufstehen«, klagte er ständig. Am Wochenende lange zu schlafen war seine Methode, sich dafür zu revanchieren.
    Im Studentenwohnheim war es sehr ruhig, keine Menschenseele war in Sicht. Meine eigenen Schritte waren das lauteste Geräusch, sie hallten von den Wänden und in den Gängen wider. Ich beschwor Randalls überraschten Blick, als ich in seinem Zimmer auftauchte, herauf. Ich freute mich darauf, mich in seine Armbeuge zu kuscheln, den Kopf auf seiner Schulter, und nur über meine Gefühle zu reden, die Ereignisse der vergangenen Woche und natürlich meine Befürchtungen. Es war schwer, nur mit sich selbst darüber zu reden. Nach einer Weile bist du den Klang deiner eigenen Stimme leid. Dein Kopf verwandelt sich in einen Hallraum, und du kennst die Antwort auf jede Frage, noch bevor sie gestellt worden ist.
    Einsamkeit ist ein einzelner Vogel, der auf der Suche nach seinem Schwarm verzweifelt die Flügel schlägt, dessen Ruf nach den anderen Vögeln ungehört
verhallt. Wie kalt und grau wirkte die Welt selbst an wolkenlosen Tagen.
    Es wurde Zeit, dass ich aufhörte, solch ein einsamer Vogel zu sein. Meine Wut war zu einer schweren Kette um meine Fußgelenke geworden, die mich bremste, mich davon abhielt, neben jemandem, den ich brauchte, dahinzuschweben.
    Ich blieb an Randalls Tür stehen und lauschte. Es war totenstill. Einen Augenblick lang hatte ich Angst, er wäre schon aufgestanden und gegangen. Diese Angst hielt mich davon ab zu klopfen. Wenn ich es getan hätte, hätte ich es vielleicht nie erfahren. Manchmal kann Unwissenheit ein Segen sein.
    Ich griff nach dem Türknopf und drehte ihn, froh, dass er die Tür nicht abgeschlossen hatte. Schnell öffnete ich sie und trat in sein Zimmer in der Hoffnung, ihn noch zusammengerollt im Bett vorzufinden. Ich würde ihn mit einem Kuss der Vergebung wecken, und er würde mich mit glückstrahlenden Augen anlächeln.
    Stattdessen setzte mein Herz einen Schlag aus. Leslie öffnete sofort die Augen. Randall lag neben ihr und schlief noch.
    »Mon Dieu!« , rief Leslie.
    Randall öffnete die Augen und stöhnte.
    »Hm?«
    »Guten Morgen, chérie« , sagte Leslie und setzte sich auf. Sie besaß keinerlei Hemmungen, ihre Nacktheit zu zeigen.
    Randall rieb sich die Augen und hob den Kopf.
Sein Mund öffnete und schloss sich ohne einen Laut.
    Der Anblick hatte mich auf der Stelle festgenagelt. Am liebsten hätte ich mich umgedreht und wäre weggelaufen, aber ich konnte mich nicht rühren.
    »Rain«, sagte er schließlich und stützte sich auf seine Ellenbogen.
    »Du darfst nicht wütend sein, chérie« , sagte Leslie. »Ich bin nur hier, um ihn aufzuheitern. Er war so traurig wegen dir«, sagte sie und zog ein niedergeschlagenes Schmollgesicht. »Er tat mir Leid.«
    »Verstehe«, sagte ich und starrte Randall an. »Hat sie dich aufgeheitert, chérie?«
    »Rain, du wolltest die ganze Woche nicht mit mir reden und …«
    »Sieht aus, als hätte mein Instinkt mich nicht getäuscht. Lass dich von mir nicht aufhalten, Leslie. Heitere ihn weiter auf, von mir aus, bis er zum Teufel geht«, fügte ich hinzu, wirbelte herum und knallte die Tür hinter mir zu. Das Geräusch hörte sich an wie eine Kugel, die von den Wänden abprallt. Ich eilte die Treppe hinunter, bevor Randall oder Leslie mir folgen konnten. Binnen Sekunden platzte ich aus dem Studentenwohnheim heraus und rannte den ganzen Weg bis zum Park. Zweimal wäre ich an Straßenecken fast von Autos angefahren worden. Selbst nach all der Zeit vergaß ich gelegentlich, auf welcher Straßenseite hier die Autos fuhren.
    Ich weinte nicht so sehr um Randall wie um mich selbst, über meine Unschuld und mein Vertrauen,
über meine Leichtgläubigkeit und närrische blinde Hoffnung. Wie viele Lektionen über die menschliche Natur brauchte ich noch, bevor ich lernte, dass Vertrauen so selten war wie ein lupenreiner Diamant? Vielleicht hatte man deshalb den größten und schönsten Hope-Diamant genannt. Von jetzt an würde ich jemandem nur noch als letzte Zuflucht vertrauen. Nie wieder

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