Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht
unmöglich.«
Alexandra nickte ihm streng zu.
»Wen zu finden?«, fragte mein Vater, als er eintrat.
»Verwandte in Afrika«, sagte Alexandra.
»Ach?« Er lächelte und schüttelte den Kopf. »Unser William ist wieder bei seinem Thema?«
»Ja. Er macht sich lächerlich, fürchte ich«, sagte Alexandra. Vielleicht lag es an ihrer wunderbaren Stimme oder an ihrer Aussprache, aber sie wirkte viel älter als zwölf Jahre.
»Seine Verwandten finden zu wollen ist nicht lächerlich, Alexandra«, sagte mein Vater und warf mir einen Blick zu. »Das Problem ist, fürchte ich, dass man nicht mehr so viel mit ihnen gemeinsam hat.«
»Vermutlich sind es gute Jäger«, beharrte William.
»Ja«, bestätigte mein Vater nickend. »Das sind sie bestimmt. Also«, sagte er und setzte sich neben mich auf das kleine Sofa, »erzählen Sie mir von Ihrer Schule. Es ist diejenige, die von Conor MacWaine geleitet wird, nicht wahr?«
»Ja. Er ist ein Freund meiner Großmutter, die …« Ich hielt inne, als Leanna in der Tür auftauchte.
»Oh, fahren Sie bitte fort«, bat sie. »Ich wollte Sie nicht unterbrechen.«
»Ich sagte gerade, Mr MacWaine ist ein Freund meiner Großmutter und hat sie überredet, mich auf seine Schule zu schicken, nachdem er mich in einer Highschool-Aufführung gesehen hatte.«
»Welches Stück war das?«, fragte mein Vater.
» Unsere kleine Stadt« , sagte ich.
»Und Sie waren Emily Webb?«
»Ja.«
»Eine schöne Rolle. In wie vielen Stücken haben Sie vorher mitgespielt?«
»In keinem«, sagte ich.
»In keinem? Also, das ist eine beachtliche Leistung. Kein Wunder, dass Mr MacWaine Sie für seine Schule ausgewählt hat. Er hat Ihr Naturtalent erkannt.«
»Ihre Eltern müssen sehr stolz auf Sie sein«, meinte Leanna.
»Ich habe nur eine Mutter«, erwiderte ich. »Aber ich lebe nicht bei ihr. Ich lebe bei meiner Großmutter.«
»Oh.« Sie wirkte verlegen, ihr Blick wanderte schnell zu meinem Vater.
»Ist es Zeit für den Tee?«, fragte mein Vater schnell.
»Ja. Ja, bitte. Lasst uns in den Garten gehen. Kinder«, sagte sie, und sie erhoben sich gehorsam.
»Sie haben ein sehr schönes Haus«, machte ich meinem Vater ein Kompliment.
»Das ist alles Leannas Werk. Ich fürchte, ich stecke den Kopf meistens in Bücher und Aufsätze. Sie werden sehen, dass sie auch eine beachtliche Gärtnerin ist«, fügte er hinzu und führte mich in den Garten.
Sie hatten einen Patio, an dem Weinlaub sich über die Holzüberdachung rankte. Wasser plätscherte in ein kleines graues Becken und ein Vogelbad. Der Garten selbst war sehr eindrucksvoll.
»Leanna wird ihnen das alles beschreiben müssen«, erklärte mein Vater.
»Nach dem Tee, Larry«, meinte sie.
Der Tisch war gedeckt mit einer Vielzahl von Sandwiches, darunter Lachs und Gurke, Shrimps und Käsecreme sowie Roastbeef mit Brunnenkresse und Meerrettichsauce. Es gab auch eine große Auswahl an Gebäck und Kuchen. Ich erkannte Zitronenkekse, Linzer Törtchen, mit Marmelade und Lemon Curd gefüllte Törtchen und Butterkeksherzen mit Schokoladenstückchen – alles Dinge, die Mrs Chester den Endfields zum Tee zubereitete.
»Das ist ja toll«, sagte ich. Alle setzten sich hin, und Leanna goss jedem eine Tasse Tee ein.
»Bitte nehmen Sie, was immer Sie wollen«, forderte sie mich auf. Das tat ich und begann zu essen. Zwischendurch lobte ich sie, wie gut mir alles schmeckte.
»Mein Mann erzählte mir, dass Sie tatsächlich eine Probevorlesung bei ihm besucht haben, um Einsichten für Ihr Rollenstudium zu gewinnen. Das ist sehr ehrgeizig von Ihnen«, sagte Leanna.
Ich warf meinem Vater einen Blick zu, der schweigend aß. William und Alexandra beobachteten mich beim Essen und hörten dem Gespräch zu, als wären sie ebenso interessiert an meinen Antworten.
»Mein Schauspiellehrer spricht immer davon, dass man den Charakter wirklich kennen soll, bevor man anfängt, den Text zu lernen. Er hält auch viel von Improvisation. Vermutlich kommt man auf diese Weise dem Charakter näher«, sagte ich.
»Genau«, bestätigte mein Vater. »Das trifft besonders für Schauspieler in Shakespeare-Stücken zu wegen all der Nuancen und Feinheiten der Bedeutung, der Bildersprache, der Poesie.«
»Was hat Sie dazu bewogen, sich mehr mit Shakespeare als mit etwas anderem zu beschäftigen?«, fragte ich ihn.
Was für ein merkwürdiges Gefühl, so mit meinem eigenen Vater zu sprechen, ihn die grundlegendsten Dinge zu fragen, jede Bewegung in seinem Gesicht zu beobachten, seine
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