Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume
Mann haben können, erschien etwa so weit hergeholt wie die Vorstellung, Außerirdische vom Mars lebten in der Wohnung nebenan. Und es gab keine Möglichkeit für eine arme schwarze Familie, ein Kind zu adoptieren. Ken, der überhaupt kein Vater sein wollte, beklagte sich oft und sagte: »Der Teufel schenkt uns Kinder, um uns in den Alkohol zu treiben.« Roy sagte ihm, dass er dazu keinen Teufel brauchte. Er verstand es selbst besser, sich in den Alkohol zu treiben, als irgendein Teufel es gekonnt hätte.
Ken und Roy stritten viel miteinander, und bis Roy größer und kräftiger wurde, verprügelte Ken ihn auch oft. Gegen Ende unseres gemeinsamen Lebens in Washington begann Roy sich gegen ihn zu wehren und es gab einige wirklich unschöne Auseinandersetzungen, die Mama fast das Herz
brachen. Roys Liebe zu ihr war das Einzige, was ihn in Schach hielt – und seine Liebe zu mir.
Sobald Roy herausfand, dass ich nicht seine leibliche Schwester war, gestand er mir seine Liebe, aber es war mir unmöglich, in ihm etwas anderes als einen Bruder zu sehen. Ich sagte ihm das auch oft. Bis zu dem Augenblick, als die Wahrheit enthüllt wurde, war er mein großer Bruder, mein Beschützer. Ich wusste es, und Beneatha wusste es auch, dass er mich ihr vorzog, aber ich versuchte darüber hinwegzugehen und fand Entschuldigungen für ihn, wann immer ich konnte. Nach Beneathas gewaltsamem Tod durch eine Straßengang wollte Mama Arnold uns beide aus dieser Gegend herausbekommen. Sie ermutigte Roy, sich bei der Armee zu verpflichten, und sie selbst zog zu ihrer Tante. Dabei verschwieg sie Roy und mir, wie krank sie wirklich war.
Danach waren Roy und ich eine Weile voneinander getrennt und trafen uns erst wieder, als er mich in London besuchte. Weil ich mich verloren und verwirrt fühlte, zog ich ernsthaft in Betracht, dass wir Mann und Frau werden könnten. Ich ließ zu, dass er mit mir schlief – fast als ein Weg, das Gelände zu sondieren, aber es fühlte sich immer noch nicht richtig an. Ich wusste, dass ich ihm das Herz brach, aber ich konnte es nicht ändern. Vielleicht war es grausam, was das Schicksal uns angetan hatte, aber ich fand auch, wir könnten einander Schlimmeres antun.
»Nein, noch nicht, nicht alle«, sagte ich. »Der Mann meiner Mutter weiß es natürlich, aber öffentlich ist es nicht bekannt, und mein Halbbruder und meine Halbschwester wissen es auch noch nicht.«
»Warum nicht?«
»Ich weiß es nicht, Roy. Es liegt bei meiner Mutter und ihrem Mann, es ihnen zu erzählen.«
»Sie schämen sich deiner immer noch, Rain. Das ist der Grund«, sagte er.
»Vermutlich.«
»Wer kümmert sich um dich? Tut deine Mutter das wenigstens?«
»Nein«, gab ich zu. »Aber erinnerst du dich daran, dass ich dir erzählte, Großmutter Hudson hätte mich in ihrem Testament bedacht?«
»Ja, klar. Wie viel hat sie dir hinterlassen?«
»Viel, Roy.«
»Viel? Wie viel?«
»Es geht in die Millionen, Roy«, sagte ich.
»Hm? Dollar?«
»Ja«, lachte ich. »Mir gehört ein Mehrheitsanteil des Immobilienbesitzes, Aktien und fünfzig Prozent des Geschäftes.«
»Wow.«
»Aber die Familie ist nicht glücklich darüber und sie sprechen davon, das Testament vor Gericht anzufechten. Sie wollen, dass ich einen Kompromiss eingehe und eine Million Dollar nehme.«
»Wirklich? Was hast du vor?«
»Kämpfen«, sagte ich.
»Kämpfen? Vielleicht solltest du einfach das Geld nehmen und abhauen, Rain.Warum willst du dich einer Familie aufzwingen, die dich nicht haben will?«, fragte er.
Das war natürlich eine gute Frage.Was wollte ich im Endeffekt dabei gewinnen?Vielleicht wollte ich den Tag erleben, an dem sie mich akzeptieren mussten, damit ich ihnen endlich den Rücken kehren konnte. Stolz bäumte sich in mir auf wie ein prächtiges Pferd.
»Okay, Arnold. Leg auf«, hörte ich die Person hinter ihm wieder knurren.
»Wo steckst du, Roy? Warum sagt dir, jemand, du sollst auflegen? Roy?«
»Mir geht es gut«, sagte er.
»Du hast Schwierigkeiten bekommen, weil du nach London gekommen bist, um mich zu besuchen, stimmt’s? Besser sagst du mir die Wahrheit, Roy Arnold«, befahl ich.
»In Ordnung, das stimmt, aber das hat nichts zu bedeuten«, sagte er.
»Bist du im Knast?«
Er lachte.
»So ähnlich. Mach dir keine Sorgen darüber. Ich sitze meine Zeit ab und dann komme ich nach Hause. Ich komme zu dir zurück, Rain. Das verspreche ich«, sagte er.
»Roy …«
»Das war’s. Leg auf«, hörte ich. »Sofort.«
»Tschüs für
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