Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume
»Selbst bei den Männern, die du nicht magst, selbst bei denen, die du gar nicht sehen willst … wie sagt man noch?« Sie schaute ihre Schwester Hilfe suchend an.
»Vor dem Frühstück«, sagte Catherine lachend.
»Oui, vor dem Frühstück.«
»Das ist doch lächerlich. Ihr beide seid einfach … sexbesessen«, warf ich ihnen vor. Da mussten sie noch lauter lachen.
»Oui, oui, natürlich«, gab Leslie zu.
Hinterher, wenn ich merkte, dass ein Mann mich anschaute, selbst ein Teenager, spürte ich, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Meine Haltung verbesserte sich, mein Blick wanderte weg und wieder zurück. Dann fauchte ich mich selbst an, weil ich mich so … so französisch benahm.
Vielleicht war es Zeit, mir einzugestehen, dass es ein gutes Gefühl war, geschätzt zu werden, bewundert zu werden, einfach eine Frau zu sein. Ich hätte das nie diesen irritierenden, selbstbewussten
Schwestern gegenüber zugegeben, aber ich musste es ihnen nicht eingestehen, um es zu wissen.
Sei vorsichtig, warnte ich mein Spiegelbild, als ich den Lippenstift auftrug.
Ich ging nach unten, deckte den Tisch für uns und wartete dann im Wohnzimmer. Brody brauchte so lange, dass ich mich schon fragte, ob er nicht seine Meinung geändert hatte, oder ob er unsere Mutter angerufen hatte und aufgefordert worden war, sofort zurückzukehren. Ich wünschte mir, das stimmte. Es würde alles so viel leichter machen.
Zehn Minuten später fuhr sein Auto jedoch vor. Ich schaute aus dem Fenster hinaus und sah, wie er die Tüten umklammerte, als er zur Haustür ging. Ein paar Sekunden zog ich sogar in Betracht, nicht zu öffnen.Wenn nur …
»Entschuldige, dass es so lange gedauert hat«, sagte er, als ich ihn einließ. »Sie hatten so viel zu tun. Niemand kocht mehr. Genau wie es mein Vater immer seinen Freunden über meine Mutter erzählt.« Er lief den Flur entlang zur Küche, aufgeregt und glücklich, als würde er von einem fliegenden Teppich getragen. Er drehte sich zu mir um. »Das Lieblingsgericht meiner Mutter ist Reservierungen. Verstanden?«, fragte er, als ich nicht laut loslachte. »Reservierungen?«
»Ja, Brody, ich habe es verstanden«, sagte ich kopfschüttelnd.
Er stellte die Tüten auf die Arbeitsfläche in der Küche.
»Der Tisch ist bereits für uns gedeckt«, sagte ich.
»Ach so. Toll.« Er brachte die Tüten ins Speisezimmer und stellte sie auf den Tisch, damit er die Behälter herausholen konnte.
»Ich kann uns Tee kochen«, schlug ich vor.
»Tee? Was haben meine englische Großtante und mein Großonkel mit dir angestellt? Nee. Ich habe gutes chinesisches Bier gekauft«, sagte er und holte zwei Sixpacks aus der zweiten Tüte. »Es ist alles noch heiß«, sagte er und nickte zu den Behältern mit Essen.
»Ich bediene dich.«
Er fing an, tauchte die großen Löffel in die Behälter und füllte mir einen Teller.
»Ich habe keine Suppe gekauft. Ich dachte, das wäre vielleicht zu viel.«
Angesichts der Menge, die er gekauft hatte, konnte ich darüber nur lachen.
»Was du nicht sagst.«
»Dann hast du morgen was zum Mittagessen. Tolle Sache. Bei chinesischem Essen bleibt immer etwas übrig. Das wird so erwartet. Hau rein«, befahl er.
Es war gut, und das sagte ich auch.
»Ja. Ich erinnere mich, dass mir das einmal sehr gut geschmeckt hatte. Wir waren gekommen, um Großmutter zu besuchen, und mein Vater hatte beschlossen, dass wir alle essen gehen sollten. Großmutter wollte nicht, aber er überredete sie, und es gefiel ihr sogar.« Er lachte. »Tante Victoria kontrollierte
hinterher die Rechnung und stellte fest, dass sie uns ein Menü berechnet hatten, während wir à la carte gegessen hatten. Ich glaube, sie hat eine Rechenmaschine im Kopf.«
Ich lächelte. Es war, als ob ein Damm, der all seine Kindheitserinnerungen zurückhielt, gebrochen war und alle Bilder, Worte und Ereignisse herausfluteten.
»Möchtest du ein Bier?«, fragte er.
»Nein, danke.«
»Es ist gut.« Er goss sich eine ganze Flasche ins Glas.
»Bist du immer gerne hierher gekommen?«, fragte ich.
»Wir kamen nicht sehr oft. Meistens bestand Tante Victoria darauf, dass wir kamen, weil sie über irgendwelche geschäftlichen Probleme reden wollte. Meine Mutter hasst es, übers Geschäft zu reden. Sie hat noch nicht mal ein eigenes Konto. Meine Eltern haben einen Geschäftsführer, der sie anruft, wenn sie überzogen hat oder so, und dann stöhnt sie meinem Vater etwas darüber vor und behauptet, es sei die Schuld des Geschäftsführers,
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