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Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume

Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume

Titel: Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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ins Wohnzimmer gegangen war. Er hatte sein letztes Bier mitgenommen.

    Ich räumte den Tisch ab, stellte alles weg oder tat es in die Spülmaschine und schaute dann nach ihm. Er lag auf dem Sofa, ohne Schuhe, die Augen geschlossen, ein sanftes, zufriedenes Lächeln auf den Lippen. Ein paar Augenblicke lang hatte ich Gelegenheit, ihn zu beobachten, ohne dass er es merkte.
    Ich erinnerte mich daran, dass ich mir einmal vorstellte, wie es wohl wäre, ein Junge zu sein. Damals war ich etwa sieben oder acht und ich hatte Roy genau so beobachtet, wie ich jetzt Brody anschaute. Roy schlief auf dem Sofa im Wohnzimmer. Ich saß ihm gegenüber und beobachtete, wie sich seine Brust hob und senkte. Ich sah das ganz leichte Zittern seiner Unterlippe, wenn er ausatmete. All seine Charakterzüge waren anscheinend in eine Form eingeflossen, die von seinen Gesichtsknochen gebildet wurde.
    Jungen müssen härter aussehen. Ihre Knochen müssen kräftiger sein, so dass all ihre Züge breiter und länger sind. Deshalb unterscheidet er sich so von mir.Wenn ich ein Junge wäre, würde ich auch so aussehen.
    Brody anzuschauen war ganz anders. Wenn ich eine Ähnlichkeit mit meiner Mutter sah, sah ich auch eine Ähnlichkeit mit mir selbst, wenn auch noch so leicht und vage. Natürlich hatte er auch viele Züge seines Vaters geerbt, und die schienen diejenigen von meiner Mutter und mir zu überlagern.

    Er bewegte sich, seine Mundwinkel fielen herab. Dann öffnete er die Augen und schaute mich an, ohne ein Wort zu sagen. Sein Ausdruck legte nahe, dass er zu träumen glaubte und nur abwartete, ob ich dableiben würde oder wie eine Seifenblase zerplatzte, wenn er blinzelte.
    »Hi«, sagte er.
    »Hi.«
    »Ich glaube, ich habe zu viel getrunken«, gab er zu.
    »Vielleicht.«
    »In meinem Kopf fing alles an sich zu drehen, deshalb habe ich mich hingelegt.«
    »Allerdings hast du es geschafft, dein Bier mitzubringen.«
    »Wenn du auch etwas davon getrunken hättest, wäre für mich nicht so viel geblieben.«
    »Genau wie jeder Mann, den ich kenne: sucht nach einer Möglichkeit, einer Frau die Schuld zu geben.«
    Er lachte.
    »Willst du wirklich nach Hause fahren?«, fragte ich. »Oder hast du das nur deiner Tante erzählt?«
    »Das habe ich nur meiner Tante erzählt«, erwiderte er.
    »Also, ich gehe heute Abend früh zu Bett. Mein ganzer Körper tut mir weh von dem Ausritt heute. Wenn du zum ersten Mal nach langer Zeit reitest, wirst du in einer Weise durchgerüttelt und gestoßen, wie du es dir nie träumen lassen würdest.«

    »Ich könnte dich massieren«, bot er an. »Als Footballspieler weiß ich genau, was getan werden muss. Während der Saison macht das der Trainer zweimal die Woche mit mir.«
    »Nein, vielen Dank«, wehrte ich ab.
    »Ich kann das gut«, prahlte er.
    »Das bezweifele ich nicht, aber ich glaube, ich verzichte lieber und schlafe mich einmal richtig aus, was ich dir auch vorschlagen würde. Ich stehe früh auf und mache dir ein Frühstück, bevor du fährst.«
    »Du hast es wohl eilig, mich loszuwerden, hm?«
    »Nein, aber ich will nicht, dass du noch mehr Schwierigkeiten mit deiner Familie bekommst, und ich will ganz bestimmt nicht noch mehr Ärger mit ihnen haben«, sagte ich und stand auf.
    Er blieb liegen. Die Hände hinter dem Kopf verschränkt, schaute er zu mir hoch.
    »Du bist eine hübsche Frau, Rain.«
    »Im Augenblick fühle ich mich nicht besonders hübsch«, sagte ich.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass man dich je überrascht. Ich wette, du siehst sogar noch fantastischer aus, wenn du morgens diese großen schönen Augen zum ersten Mal aufschlägst.«
    Ich lachte.
    »Wo hast du es gelernt, so zu reden, Brody Randolph?«
    »Es kommt mir direkt aus dem Herzen«, erklärte er und legte die rechte Hand auf sein Herz.

    »Okay«, sagte ich. »Du weißt, wo alles ist, was du brauchst. Gute Nacht.«
    Ich wollte das Wohnzimmer verlassen.
    »In meinem Herzen ist noch mehr, das hervorgeholt werden muss«, rief er.
    Ich lächelte in mich hinein. Unsere Mutter hatte Recht. Er war ein Charmeur.
    Ich riskierte keine Antwort, sondern lief die Treppe hinauf in mein Zimmer, fast auf der Flucht. Nachdem ich mein Nachthemd angezogen und mich fürs Bett fertig gemacht hatte, hörte ich unten Musik. Er drehte sie lauter und lauter, dann machte er sie wieder leiser und schaltete sie schließlich aus. Ich lag in der Dunkelheit und lauschte. Mein Herz fing an zu klopfen, als ich seine Schritte auf der Treppe hörte.
    »Schlaf gut«,

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