Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume
fehlte mir auch dazu die Energie. Ich lag ganz still und starrte zur Decke.
»Mama«, flüsterte ich. »Glaubst du immer noch, ich bringe Glück? Glaubst du immer noch, du müsstest mich Rain nennen, weil er Gutes bewirkt, weil er Dinge blühen und wachsen lässt?«
Ich bin ein Fehler, dachte ich. Ich wurde irrtümlich geschaffen, mein ganzes Leben ist ein einziger Fehler.
Jake flößte mir den Tee mit einem Löffel ein. Mein ganzer Körper wehrte sich dagegen mitzuhelfen. Er wollte kein Körper mehr sein. Er wollte verschwinden, und der beste Weg war, mit dem Essen und Trinken aufzuhören, aber Jake war unerbittlich.
»Das werden Sie nicht tun, Rain«, sagte er. »Sie
werden jetzt nicht zusammenbrechen. Diese Familie braucht Stärke, keine Schwäche. Niemand wird Ihnen die Schuld geben. Niemand, der die Wahrheit kennt, wird Sie für irgendetwas verantwortlich machen.«
»Außer mir«, sagte ich.
»Was hätten Sie denn tun können? Nachgeben, so tun als ob? Damit hätten Sie auch nicht leichter leben können. Ich möchte, dass Sie jetzt aufstehen, sich duschen und anziehen.Victoria kommt heute Nachmittag her, und Sie müssen mit allem fertig werden, das auf Sie zukommt.«
Er schaute sich um.
»Das war Frances’ Zimmer. Denken Sie doch nur an Ihre Großmutter. Stellen Sie sich vor, was sie von Ihnen erwarten würde, und tun Sie es«, drängte er.
»Ich bin müde, Jake.«
»Sie sind viel zu jung, um müde zu sein«, erwiderte er. »Ich könnte das sagen. Nicht Sie. Sie müssen noch viel zu lange leben.
MZ«, sagte er lächelnd und schüttelte den Kopf. »Etwas MZ.«
Er stand vom Bett auf und nahm die leere Teetasse mit.
»Ich gehe nach unten und warte auf Sie«, sagte er. »Ich habe Hunger und vermute, Sie auch. Lassen Sie uns etwas zu essen machen.«
Ich sah zu, wie er hinausging, und warf dann einen Blick auf Großmutter Hudsons Bild auf der
Kommode, auf dem sie am See stand, auf etwas zeigte und lachte. Ich konnte sie fast sagen hören: »Jake hat Recht. Bekomme dich in den Griff und hilf mir, mit dieser lächerlichen Familie fertig zu werden.
Denk daran, was ich dir erzählt habe über Selbstmitleid. Erinnere dich jetzt daran, mehr denn je.«
Ich hievte mich aus dem Bett; mein Körper funktionierte automatisch aufgrund von Reflexen und Erinnerungen. Ich tat, was Jake mir gesagt hatte. Ich duschte mich, zog mich an und ging nach unten, um uns etwas zu essen zu machen. Ich bereitete eine Tomatensuppe und getoastete Käsesandwiches zu. Überrascht stellte ich fest, dass ich etwas bei mir behalten konnte. Jake und ich saßen am Küchentisch und redeten leise über das, was geschehen war. Bevor wir fertig waren, stürmte Victoria ins Haus. In ihrem Blick spiegelte sich Schock, Wut und Verwirrung. Sie sah Jake scharf an, der sich daraufhin erhob und sein Geschirr in die Spüle stellte.
»Ich bin draußen, wenn Sie mich brauchen«, sagte er mehr oder weniger zu uns beiden.
»Was ist passiert, Rain?«, verlangte Victoria zu wissen, nachdem er gegangen war. »Was Megan mir erzählt, ergibt überhaupt keinen Sinn, und mittlerweile steht sie vermutlich unter Beruhigungsmitteln. Grant geht nicht ans Telefon. Sie sagen mir, er sei außer sich, hätte sich in seinem Arbeitszimmer eingeschlossen.«
Ich starrte zu Boden. Ganz gleich, was mir angetan worden war und was diese Familie jetzt von mir erwartete, ich konnte es nicht ertragen zu hören, welche schreckliche Last an Traurigkeit ihr aufgebürdet worden war. Das erweckte lebhafte Erinnerungen an Mama nach Beneathas Ermordung.
»Grant ist am Boden zerstört«, erklärte Victoria, die sich an den Tisch setzte. »Ich weiß nicht, ob er je wieder zu sich selbst finden wird. Megan ist ihm keine Hilfe. Sie ist schlimmer als ein Bleigewicht an seinem Fußgelenk.«
Ich hob den Kopf und schaute sie an. Sie war wütend auf mich, nicht wegen dem, was Brody widerfahren war, sondern weil dies Grant beeinträchtigte.
»Ich habe nichts getan, um ihn absichtlich zu verletzen«, begann ich. Ich erzählte ihr, wie Brody darauf beharrt hatte, mit mir zu Abend zu essen. Ich erzählte ihr von seinen Liebesbeteuerungen, wie diese entschieden zu ernst wurden und dass ich etwas tun musste, um dies zu unterbinden.
»Und du hast ihm nicht erzählt, wer du wirklich bist?«
»Vielleicht hätte ich es tun sollen.Vielleicht wäre er dann ruhiger geworden, hätte mich verstanden und wäre nicht so wütend auf mich gewesen, aber ich hatte Angst. Ich wollte nicht noch mehr Ärger
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