Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume
fuhr ich sie scharf an.
»Was? Ich muss zur Beerdigung des Chauffeurs meiner Mutter kommen, statt einen wichtigen Geschäftstermin wahrzunehmen?« Sie lachte. »Wohl kaum«, sagte sie und wollte sich abwenden.
Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, wie sie Jake herabsetzte. Ich würde das nicht zulassen.
»Er ist nicht nur der Chauffeur deiner Mutter. Warte!«, rief ich mit Nachdruck.
»Was ist?«, fragte sie ungeduldig. »Ich habe wichtige Anrufe zu erledigen und ich habe schon genug Zeit des heutigen Tages verschwendet.«
»Jake … war nicht nur der Chauffeur deiner Mutter. Jake war dein Vater«, sagte ich.
Einen Augenblick lang sprach sie nicht.
Dann machte sie ein paar Schritte auf mich zu und lachte.
»Bist du verrückt? Ist das eine Folge deiner Verkrüppelung, diese entstellten, lächerlichen Gedanken? Mein Vater – Jake, der Familienchauffeur?«
»Er hat es mir selbst erzählt. Er und Großmutter Hudson waren ein Liebespaar, und sie wurde schwanger mit dir. Deshalb behandelte der Mann, den du für deinen Vater hieltest, dich anders als Megan. Er wusste es.«
An die Stelle ihres kalten Lächelns trat der härteste Ausdruck von Zorn und Hass, den ich jemals auf ihrem Gesicht gesehen hatte. Diese gehässige Miene entstammte einer Feindseligkeit, die bestimmt zurückging bis auf Kain. Ein finsterer Schleier fiel über sie, als sie näher trat. Sie schien größer zu werden, ihre Schultern hoben sich, bis sie drohend vor mir stand wie der Todesengel, bereit zuzuschlagen.
»Wie kannst du es wagen, Dinge so zu verzerren, die ich dir vertraulich mitgeteilt habe? Wie kannst du es wagen, so eine widerliche, absurde Geschichte zu erfinden? Willst du damit deine eigene Schuld vertuschen? Ist es das? Hoffst du, dass sich
deshalb der Finger der Anklage nicht länger auf dich richten wird?«
»Nein, natürlich nicht. Ich erzähle dir nur, was Jake mir erzählt hat und was man dir schon vor vielen Jahre hätte erzählen sollen. Er war stolz auf dich, Tante Victoria. Er sprach oft von deinen Stärken und deinen Leistungen und …«
»Hör auf!«, schrie sie. Sie erdolchte mich mit ihren Blicken, während sie sich die Hände so heftig auf die Ohren schlug, dass es gebrannt haben musste. »Ich höre mir keine einzige Silbe mehr an! Wenn du es wagen solltest, so etwas irgendjemandem gegenüber auch nur anzudeuten, werde ich … werde ich dafür sorgen, dass in diesem Rollstuhl zu sitzen wundervoll war im Vergleich zu dem, was folgen wird.«
»Es ist mir egal, ob du mir glaubst oder nicht«, sagte ich ruhig. »Aber du solltest zur Beerdigung gehen.«
Einen Augenblick lang schäumte sie nur vor Wut. Dann senkte sie die Hände von den Ohren und nickte.
»All diese Aufsässigkeit, dieser Unsinn ist sein Werk, das Werk des Mitgiftjägers«, sagte sie. »Ich werde mich darum kümmern.« Sie drehte sich um und ging zur Haustür.
»Austin hat mit alledem nichts zu tun«, rief ich. »Denke ja nicht daran, etwas zu unternehmen, das ihm schaden könnte. Ich warne dich.«
Sie zögerte nicht.
»Tante Victoria, ich warne dich! Tante Victoria!«, schrie ich.
Mit entschlossenem Schritt marschierte sie den Flur entlang und zur Haustür hinaus, knallte die Tür hinter sich zu und ließ mich zitternd in meinem Rollstuhl zurück.
Bei Jakes Beerdigung waren nicht viele Leute. Abgesehen von den Bekannten, die er in der örtlichen Kneipe hatte, und ein paar alten Freunden, die ihn schon kannten, bevor er zur Marine gegangen war, waren nur Austin, ich und Mick Nelson dort, der Pferdetrainer, der mir bei Rain geholfen hatte. Auf dem Friedhof erzählte Mick mir, wie viel Jake über mich geredet und wie sehr er mich geliebt und bewundert hatte.
»Ich habe ihn dann immer geneckt und gesagt, bist du sicher, dass sie nicht deine Tochter ist, Jake? Er sagte nein, aber Sie wären das, was einer Tochter am nächsten käme. Er liebte es einfach, wie Sie dieses Pferd ritten und wie das Pferd sich zu Ihnen hingezogen fühlte.«
Ich fragte ihn, wo genau Rain war, und er versicherte mir, das Pferd sei in guten Händen. Ich überlegte laut, dass ich eines Tages dorthin fahren könnte, um sie zu sehen, und Mick versprach, dass er für uns anrufen und eine Verabredung treffen würde, wann immer ich wollte. Er stand neben uns, als wir dem Geistlichen zuhörten und dann zusahen, wie Jakes Sarg ins Grab hinabgesenkt wurde.
Hinterher brachte Austin mich zu Großmutter Hudsons Grab, wo ich eine ganze Weile saß. Austin wartete am Transporter,
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