Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume
damit ich ungestört war.Als er sah, wie meine Schultern durch mein heftiges Schluchzen bebten, eilte er zu mir zurück.
»Es ist Zeit zu gehen, Rain«, sagte er und reichte mir sein Taschentuch.
Ich wischte mir die Augen ab, nickte, lehnte mich zurück und überließ ihm die ganze Arbeit, mich über den Friedhof zurück und in den Wagen zu schieben. Kurze Zeit später fuhr er mich die Rampe hoch ins Haus. Da Mrs Bogart weg und noch kein Ersatz engagiert worden war, wirkten der lange Flur und die großen Zimmer noch leerer und dunkler. Austin schlug vor, dass wir zum Essen ausgehen sollten.
»Das ist etwas, das wir noch nicht getan haben«, sagte er. »Warum ziehst du dir nicht etwas Schickes an, ich werfe mich in Jackett und Krawatte und wir gehen in ein richtig nettes Lokal, das ich kenne. Es hat eine Veranda, die zum Wasser hinausgeht. Wie hört sich das an?«
»Nett«, sagte ich lächelnd.
»Brauchst du Hilfe, um fertig zu werden?«
»Nein«, erwiderte ich entschieden und fügte voller Selbstbewusstsein und Entschlossenheit hinzu: »Ich will das heute Abend alles selbst machen.«
»Das habe ich mir schon gedacht. Ich komme in etwa zwei Stunden wieder, okay?«
»Ja«, sagte ich. Er küsste mich und ging.
Unverzagt fuhr ich in mein Zimmer, um zu sehen, wie stark ich war und wie hoch ich aus den Feuern der Traurigkeit, die rund um mich herum loderten, aufsteigen konnte. Ich suchte eines meiner hübschesten Kleider aus. Mir fiel auf, dass ich seit meinem Unfall nichts mehr zum Anziehen gekauft hatte. Ich hatte mein Interesse daran verloren, wie ich aussah und ob ich modisch gekleidet war oder nicht. Das wird sich ändern, dachte ich. Großmutter Hudson hatte mir all das Geld hinterlassen und ich hatte keinen Pfennig für irgendetwas ausgegeben, das keine medizinische Notwendigkeit darstellte. Obwohl ich im Rollstuhl saß, konnten die Leute immer noch meine Füße sehen. Es war immer noch wichtig, hübsche Schuhe zu tragen, und mein Haar sollte attraktiv sein.
Ich schwor mir vor dem Spiegel, dass ich mein Aussehen ändern würde. Ich würde diesen kränklichen, schwachen und mitleiderregenden Gesichtsausdruck ersetzen durch einen strahlenden hoffnungsvollen. Ich wollte wieder hübsch sein. Austin sagte nicht nur nette Dinge zu mir, damit ich mich besser fühlte. Das sah ich an seinem Blick, daran, wie er mich anschaute, wenn er dachte, ich beobachtete ihn nicht. Er verehrte mich. Ich hatte meine Fähigkeit zu gehen verloren, aber nicht meine Attraktivität.
Ich konnte nicht leugnen, dass ich etwas Angst davor hatte, unter eigener Verantwortung zu baden. Das meiste andere hatte ich schon selbst gemacht,
aber Mrs Bogart war immer in der Nähe gewesen, wenn ich badete. Ich ließ mir das Wasser einlaufen, legte mir die Kleidung zurecht, zog mich aus und bugsierte mich aus dem Rollstuhl in die Wanne. Aber sobald ich drinnen lag, hatte ich plötzlich schreckliche Angst, ich käme nicht wieder hinaus. Das machte es mir unmöglich, das Bad zu genießen. Binnen Minuten wollte ich wieder hinaus, nur um sicherzugehen, dass ich es schaffte. Wenn ich nun immer noch in der Wanne lag, wenn Austin eintraf? Wie peinlich.
In meiner Panik und Hast hinauszukommen, rutschte ich aus und knallte mit dem Arm so hart auf die Fliesen, dass mir die Luft wegblieb. Ich fing an zu weinen, aber dann bekam ich mich wieder unter Kontrolle und machte mich systematisch daran, aus der Wanne zu steigen. Wenige Augenblicke später saß ich auf dem Rand und trocknete mich ab. Danach hievte ich mich wieder in den Rollstuhl und rollte mich ins Schlafzimmer. Weil mein Arm so schmerzte, brauchte ich mindestens dreimal so lange, mich anzuziehen, aber ich schaffte es wenigstens. Als ich jedoch in den Spiegel schaute, sah ich, wie verdreht und zerdrückt das Kleid war. Ich tat, was ich konnte, um es zu glätten, und machte mich an die Arbeit, meine Schuhe anzuziehen. Als ich anfing, mich zu kämmen, war ich völlig erschöpft.
Ein Geräusch im Badezimmer erschreckte mich. Schockiert stellte ich fest, dass ich das Wasser weiter
hatte in die Wanne plätschern lassen, bis es schließlich überlief.
»Oh nein!«, schrie ich und fuhr so schnell ich konnte zurück. Ich quälte mich ab, um den Rollstuhl in der kleinen Pfütze, die sich bereits gebildet hatte, zu drehen. Als ich mich herüberbeugte, um den Hahn völlig zuzudrehen, glitt ich in meiner Hast aus. Bevor ich es verhindern konnte, fiel ich in die Lache und durchnässte eine Seite des
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