Die Hudson Saga 04 - Im Schein des Mondes
hatte? Ich mochte Harley. Ich mochte ihn sogar noch viel mehr, als mir bewusst gewesen war, aber vielleicht stürzten wir uns ungewollt in etwas hinein.War ich nicht eine absolut grauenhafte Person, dass ich so etwas auch nur dachte?
Ich wälzte mich in meinem Bett herum, stöhnte sogar laut und rechnete damit, dass Sarah sich wundern würde warum, aber sie war rasch eingeschlafen. Ich hörte ihr schweres gleichmäßiges Atmen. Sie hatte mir den Rücken zugekehrt und lag unter ihrer Decke zusammengerollt; dabei umarmte sie ihr Kissen, als sei es ihr Lieblingsteddy.
Dann hörte ich etwas wie Hagelschlag gegen das Fenster prasseln. Neugierig drehte ich mich um. Unser Fenster ging auf das Ostende des Wohnheims hinaus.
Hinter dem Rasen lag ein kleines Waldstück. Es schien kein Mond, aber der Himmel hatte sich aufgeklart, so dass die Sterne ihren silbrigen Glanz auf den dunklen Campus warfen. Ich starrte einen Moment hinaus. Gerade als ich mich wieder abwenden wollte, um einzuschlafen, sah ich die Silhouette eines Kopfes am Fenster und hörte ein leises Klopfen.
Mein Herz setzte einen Schlag aus. Ich schaute zu Sarah hinüber, aber sie rührte sich nicht. Es klopfte wieder, ich stand auf, ging zum Fenster und hockte mich hin, um es zu öffnen.
»Hi«, sagte Duncan Fields.
»Was machst du hier?«
»Ich konnte nicht schlafen, deshalb dachte ich, ich besuche dich einmal. Ist Sarah wach?«
Ich schaute mich zu ihr um. Sie schlief immer noch sehr ruhig, man hörte nur ihr regelmäßiges Atmen.
»Nein.«
»Gut«, flüsterte er. »Es hat mir wirklich Spaß gemacht, mit dir zu tanzen. Ich wollte mich nicht zum Schwein machen und dich noch einmal bitten.«
»Das hätte dich nicht zum Schwein gemacht«, sagte ich.
»Tja, du weißt doch, wie das in solchen Ferienlagern ist, wenn die Leute erst einmal anfangen zu tratschen. Und ich weiß, dass du eine ernsthafte Beziehung hast. Sarah hat es mir erzählt.«
»Ich bin nicht verlobt oder so was«, entgegnete ich so schnell, dass es mich selbst überraschte.
»Oh, das ist gut. Du meinst, ich könnte immer noch eine Chance haben?«
»Worauf?«
»Dein Herz zu gewinnen«, sagte er mit funkelnden Augen.
»Es ist kein Preis oder so was«, erwiderte ich und er lachte.
»Ich mag dich«, sagte er. »Ich hoffe, du magst mich auch.«
»Ich kenne dich nicht gut genug, um dich zu mögen oder nicht zu mögen«, gab ich zu bedenken.
»Also, daran muss ich etwas ändern, wenn ich kann«, sagte er. »Warum kommst du nicht heraus? Wir könnten einen Spaziergang machen oder so und uns etwas unterhalten.«
»Was? Du meinst, aus dem Fenster klettern?«
»Das habe ich gemacht.«
»Nein, das ist …«
»Gegen die Regeln, ich weiß.Wir müssen uns ja nicht erwischen lassen, und es würde nicht so lange dauern. Nun komm schon«, drängte er. »Es ist schön hier draußen.«
»Nein«, sagte ich, aber mein Herz begann zu klopfen, als ich daran dachte.
»Ach, nun komm schon. Du bist doch viel weltgewandter als die meisten anderen Mädchen hier. Ich erkenne das«, sagte er. »Du lässt dich nicht von ein paar albernen Regeln dort einsperren. Es ist nicht einmal Mitternacht. Wenn du und ich zu Hause wären, wären
wir an so einem Abend am Wochenende vermutlich noch auf, nicht wahr?«
»Ja, wahrscheinlich«, gab ich zu.
»Und? Komm schon. Nur ein paar Minuten. Ich riskiere, meine musikalische Karriere für dich aufs Spiel zu setzen. Du könntest dich zumindest erkenntlich zeigen.«
»Deine musikalische Karriere? Wohl kaum«, sagte ich.
Er trat zurück und streckte die Hand aus.
Ich schaute wieder zu Sarah. Sie hatte sich noch immer nicht gerührt. Konnte ich das tun? Sollte ich es? In dem Augenblick erschien es mir das Aufregendste, über das ich je nachgedacht hatte.
»Eine Minute«, bat ich, schlich auf Zehenspitzen zum Schrank, um mir meinen Morgenmantel über das Nachthemd anzuziehen. Dann schlüpfte ich in meine Sandalen und kehrte zum Fenster zurück. Mein Herz klopfte so heftig, dass ich glaubte, nicht die Kraft zu besitzen, aus dem Fenster zu klettern. Ich schob es behutsam weiter nach oben und zögerte dann.
»Wo gehen wir hin?«
»Spazieren.Was ist denn schon dabei?«
Ich hatte das Gefühl, als säße eine gute Fee auf meiner linken Schulter und eine böse Fee auf der rechten. Beide flüsterten mir hektisch etwas ins Ohr. Meine gute Fee sagte: »Tu’s nicht. Warum ist das so wichtig? Wenn du ihn sehen willst, triff dich morgen mit ihm. Warum willst du es riskieren, wegen
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