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Die Hüter der Nacht

Titel: Die Hüter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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dieser Probleme war wiedergekehrt und peinigte Paul Hessler.
    Ein alter, arthritischer Mann am Flughafen Ben-Gurion. Ein Geist, der das Atmen noch nicht aufgegeben hatte. Nach all diesen Jahren …
    Warum? Und wie, in Gottes Namen, hatte er es herausgefunden?
    Paul hatte Ari alles erklären wollen, hatte sogar den Zeitpunkt und den Ort geplant.
    In der Burg. Nach deren Vollendung.
    Vor drei Jahren hatte Paul Hessler einen Handel mit dem Staat New Jersey gemacht und für einen Dollar pro Jahr ein großes Stück Land in den Klippen des Palisades State Park mit Blick auf den Hudson River nördlich der George-Washington-Brücke gepachtet. Auf diesem Land hatte er eine mittelalterliche Burg wiederaufbauen lassen, die für die Öffentlichkeit zugänglich war und eines Tages vielleicht in ein Museum umgewandelt würde, das den Metropolitan's Cloisters nachempfunden war, den Klöstern schräg gegenüber auf der anderen Seite des Hudson.
    Wenn Paul das nahezu fertige Bauwerk sah, betrachtete er es jedes Mal, als wäre es noch immer die Burg, die er vor 57 Jahren nach seiner Flucht aus dem Arbeitslager in den Wäldern von Lecyca in Polen entdeckt hatte. Diese Entdeckung hatte ihm damals das Leben gerettet; damit hatte jene Geschichte ihren Anfang genommen, die Hauptbestandteil der Legende Paul Hessler war.
    Als Hessler erfahren hatte, dass die polnische Regierung die Absicht hatte, den verfallenen Bau abreißen zu lassen, hatte er die Burg gekauft und die Kalksteinquader der Mauern zerlegen, nummerieren und in Kisten nach New York verschiffen lassen, um sie dann an den Klippen von Palisades States Park wieder aufbauen zu lassen. Ein großer Teil des ursprünglichen Bauwerks war im späten Herbst 1944 verschwunden gewesen; heute war sogar noch weniger davon übrig. Die Mauer ringsum war eingefallen, der innere Teil nur noch Schutt, seit die Burg während des Protestantenaufstandes im 16. Jahrhundert aufgegeben worden war. Das alte Bauwerk aus dem 14. Jahrhundert hatte ursprünglich sechs Türme gehabt, aber nur vier waren noch so gut erhalten gewesen, dass man sie wieder aufbauen konnte. Die Stützpfeiler aus rosafarbenem Marmor und die gemeißelten Steinsäulen waren verfallen, konnten jedoch restauriert werden – zu einem Preis, den nur Paul Hessler zu zahlen bereit war.
    Er war persönlich nach Polen zurückgekehrt, um die ersten Arbeiten zu beaufsichtigen. Lastwagen hatten die riesigen Mengen zerlegter Materialien – jedes Teil war sorgfältig beschriftet und fotografiert – zu gecharterten Frachtflugzeugen transportiert. Hessler hatte angeordnet, dass die vier verbliebenen Türme intakt abtransportiert wurden. Mit modernster Lasertechnik waren sie von ihren Fundamenten abgetrennt und mit Kränen für die Fahrt zum Flughafen auf riesigen Tiefladern abgesetzt worden.
    Wieder in New Jersey, hatte Hessler den Bau von Straßen bezahlt, die breit und tragfähig genug waren, dass sie den Transport der Türme und Einzelteile mit Frachttransportern zur Baustelle erlaubten. Selbst dann hatten diese Straßen sich als kaum breit genug erwiesen, um die Schwerlastkräne aufzunehmen, die erforderlich gewesen waren, um die Türme auf die Klippen zu hieven.
    Seit über einem Monat hatte Paul Hessler die Burg nicht mehr gesehen, seit er nach Israel geflogen war, um die Entwicklung des Antiraketen-Systems zu überwachen. Er wusste, dass sich das gewaltige Bauvorhaben im Endstadium befand – einschließlich der Renovierungen und Rekonstruktionen mit dem Ziel, eine funktionelle Nachbildung zu schaffen. Um dies zu erreichen, hatte Hessler ein Dutzend Künstler beauftragt, die Fresko-Gemälde verschiedener Landschaften wieder zu erschaffen, die der ursprüngliche Burgherr besucht hatte; Steinmetze reparierten die Wände und erneuerten die rissig gewordenen und gebrochenen Steinbänke, von denen viele Fresken eingerahmt waren.
    In den neu geschaffenen Parkanlagen dachte Paul oft daran, was sich vor über einem halben Jahrhundert in diesen Mauern ereignet hatte. Das Geheimnis, das er bislang mit keinem Menschen geteilt hatte. Das Geheimnis, das den wahren Grund offenbarte, weshalb er dieses Stück seiner Vergangenheit so nahe bei seinem Zuhause in New York City wieder aufgebaut hatte.
    »Sir?«
    Paul wandte sich um und sah eine attraktive Frau, die ihm eine Tasse Kaffee hinhielt. Im Arbeitslager waren den Gefangenen zwei Tassen Kaffee pro Tag bewilligt worden, der niemals heiß gewesen war. Aus diesen zwei Tassen Kaffee, 200 Gramm Brot

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