Die Hüter der Nacht
darauf«, erwiderte Ben, obwohl das palästinensische Gesetz nicht verlangte, dass Eltern bei einer Befragung Minderjähriger anwesend sein mussten.
Vor einem alten, rußschwarzen Ofen, der nach Rost roch, wurde auf kleinen Stühlen Platz geschaffen.
»Hat dir die Schule für Palästinenser und Juden gefallen, die du im vergangenen Semester bei Abu Gosh besucht hast, Zeina?«
Sie lächelte, erleichtert über seine Frage. »Ja. Sehr. Es war eine prima Schule. Ich habe viel gelernt.«
»Wie ich hörte, hattest du dort sehr gute Freunde.«
Jetzt versteifte sie sich leicht. »Ein paar.«
»War Michael Saltzman einer davon?«
»Ja.«
»Und Beth Jacober?«
Diesmal ein Nicken.
»Und Shahir Falaya?«
Wieder ein Nicken.
»Yakov Katavi?«
Zeina Ashawi blickte Hilfe suchend zu ihrem Vater.
»Ist das wirklich nötig?«, fragte er Ben.
»Sie sind mit Ihrer Familie hierhin gezogen, ohne es einer Menschenseele zu erzählen«, erwiderte Ben. »Warum hielten Sie das plötzlich für nötig, Abu Ashawi?«
Keine Antwort.
»Ich glaube, Sie sind hierher geflüchtet, um sich zu verstecken, nachdem drei Freunde Ihrer Tochter binnen einer Woche starben.« Ben schaute wieder Zeina Ashawi an. »Es tut mir Leid, dir sagen zu müssen, dass auch Yakov Katavi tot ist. Er wurde gestern ermordet.«
» Mish mutnkin !«, stöhnte Zeina. »Das kann nicht sein!«
»Diesmal wurde es nicht wie ein Unfall oder Selbstmord inszeniert. Der Junge wurde in seinem Elternhaus umgebracht. Er wurde erschossen – wie auch seine Eltern.« Ben neigte sich vor, und der kleine Stuhl knarrte unter seinem Gewicht. Er schaute Abdul Ashawi an. »Wenn ich nicht rechtzeitig hier eingetroffen wäre, hätten die Männer, die sich als Polizisten ausgegeben haben, Ihre Tochter mitgenommen, und Sie hätten sie niemals wieder gesehen. Ich möchte Sie schützen, Abu Ashawi. Ich möchte Sie alle schützen. Aber ich muss wissen, warum vier der Klassenkameraden – und Freunde – Ihrer Tochter tot sind.«
Abu Ashawi schaute Zeina an und nickte.
»Ich habe nichts damit zu tun!«, beschwor sie Ben. »Ich habe die Freundschaft mit ihnen aufgegeben, das schwöre ich!«
»Ich glaube dir«, sagte Ben. »Erzähl mir nur, was geschehen ist.«
Zeina Ashawi nickte und begann.
Layla Saltzman öffnete die Haustür, als sie Danielle über den Plattenweg zu ihrem Haus im Jerusalemer Vorort Har Adar kommen sah.
»Wenn es verkehrt von mir war, Sie anzurufen …«
Danielle dachte an ihren Vorgesetzten in der Verwaltungsabteilung, der gerade Mitte 20 war, und stellte sich vor, wie er ihr Verschwinden bei Commander Moshe Baruch meldete.
»Sie haben nichts Verkehrtes getan. Zeigen Sie mir nur, was Sie gefunden haben.«
Das Haus wirkte so, wie Danielle es vor zwei Tagen erlebt hatte. Alles war unverändert; der gleiche Geruch hing in der Luft, vielleicht ein wenig abgestandener.
»Ich hielt es für an der Zeit, Michaels Sachen aufzuräumen«, erklärte Layla Saltzman. »Keine andere Beschäftigung hat mir geholfen. Ich wollte mich dadurch ablenken.«
Sie gelangten an eine Schlafzimmertür. Layla Saltzman schaltete eine Lampe ein, die ein Zimmer erhellte, das typisch für einen Jungen im Teenageralter war. Eine Stereoanlage, ein Fernseher, Zeitschriften und Bücher auf den Regalen. Eine Fender-Gitarre und ein Paar Skier lehnten in einer Ecke. Am Boden vor dem Schrank lag eine Jeans. Ein Aquarium mit tropischen Fischen, dessen Filter leise summte, stand so dicht am Fenster, dass es einen Teil des Lichts wegnahm.
Layla Saltzman ging zum Bett ihres Sohnes. Die Decken waren verwühlt, und die Matratze zeigte eine leichte Vertiefung, wo der Junge gelegen hatte. Der ausziehbare Bettkasten stand ein Stück offen, und Kleidungsstücke quollen heraus.
»Der Bettkasten klemmte«, erklärte Layla Saltzman. »Und als ich daran zog, kam alles heraus. Ich habe es sofort zurückgesteckt, als ich es sah.«
»Was?«
Danielle schaute zu, als Layla Saltzman den Kasten ganz aufzog.
»Das«, sagte sie nur und wies auf irgendetwas hinter dem Kleiderfach.
Danielle ging in die Hocke und leuchtete mit ihrer kleinen Taschenlampe in das Dunkel des Bettkastens. Sie blinzelte und konnte nicht glauben, was sie sah.
»Ich wollte ihre Freundin sein«, sagte Zeina Ashawi und schaute mehr zu ihrem Vater als zu Ben. »Ich mochte die anderen, und sie mochten mich. Sie wussten, dass ich gut mit Computern umgehen kann. Sie hatten diesen … Plan.«
Ben schwieg und ließ dem Mädchen Zeit.
»Ich
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