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Die Hüter der Nacht

Titel: Die Hüter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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tödlichen Fingernägeln zustoßen wollte. Danielle traf das Kinn der Frau. Ein knackendes Geräusch erklang, und mit einem Mal war die linke Seite ihres Gesichts schief. Wieder stürzte die Frau sich auf Danielle, wurde aber erneut von einem Tritt getroffen, diesmal unter der Kinnspitze.
    Danielle blickte sich verzweifelt nach einer Waffe um, sah aber nichts Geeignetes in Reichweite und beschloss, die Flucht aus dem Zimmer zu versuchen. Doch die falsche Schwester packte sie an den Knöcheln und zerrte sie zurück.
    In diesem Augenblick flog die Zimmertür auf. Ben Kamal stürmte herein. Die Schwester erschrak. Danielle hatte genügend Zeit, sich loszureißen und zur Seite zu kriechen. Ben sprang auf die falsche Schwester zu. Diese fuhr zu ihm herum – eine kleine Gestalt in zerrissener, blutbeschmierter Schwesterntracht, die tödlichen Hände vorgestreckt.
    »Pass auf, Ben! Ihre Fingernägel!«, rief Danielle.
    Während die Hände der Frau durch die Luft zischten, packte Ben den Rollstuhl, der an der Wand stand, und riss ihn zwischen sich und die Schwester. Wieder griff sie an, und wieder zischten die tödlichen Hände durch die Luft, doch mit dem Rollstuhl parierte Ben die Hiebe.
    Er sah, wie sich das Gesicht der Schwester vor Hass und Enttäuschung verzerrte. Verstohlen blickte die Frau zu Danielle, wollte Ben damit ablenken, doch der ließ sich nicht täuschen. Als die Frau erneut mit den tödlichen Fingernägeln ausholte, rammte Ben ihr den Rollstuhl entgegen. Der Anprall nahm ihr das Gleichgewicht, und sie krümmte sich vor Schmerz zusammen.
    Vom Boden aus beobachtete Danielle atemlos, wie Ben den Rollstuhl noch härter vorstieß. Es sah aus, als wollte er die falsche Schwester gegen das Fenster treiben. Immer schneller drehten sich die Räder des Rollstuhls, der sich unaufhaltsam der Frau mit den tödlichen Fingernägeln näherte – und dem Fenster.
    Die Frau prallte mit dem Kopf gegen den Fensterrahmen, und ihr Oberkörper wurde durchs offene Fenster gedrückt. Ben packte den Rollstuhl und stieß ihn gegen die Frau, trieb sie mit dem Oberkörper noch weiter nach draußen. Sie klammerte sich am Fensterrahmen fest und trat hektisch mit den Beinen aus, um kein Übergewicht zu bekommen, doch es nutzte nichts. Die Halt suchenden Hände mit den tödlichen Fingernägeln schrammten knirschend über die Fensterscheibe; dann stürzte die Frau rücklings in die Dunkelheit, wobei sie gellend schrie. Der Rollstuhl folgte ihr bis aufs Pflaster; beim Aufprall sprühten Funken, die im Blut der Frau erloschen.
    Drei echte Krankenschwestern stürzten ins Zimmer.
    Ben eilte zu Danielle und neigte sich über sie. »Holen Sie einen Arzt!«, rief er, als er das Blut sah, das Danielles Krankenhaushemd tränkte. »Haben Sie gehört? Rufen Sie einen Arzt!«

 
VIERTER TAG
43.
    Paul Hessler schob seinen Ausflug zum Büro in seinen Terminplan ein. Er legte ihn in die zwei Stunden am Nachmittag, in denen keine Trauergäste kamen; sie würden erst am Abend eintreffen, weitere in den beiden Tagen darauf. Paul würde sie alle begrüßen, ihre Beileidsbekundungen entgegennehmen – ob aufrichtig oder nicht –, und sie dann bei Kaffee und Gebäck zurücklassen, die auf Tischen im großen Wohnzimmer seiner Penthousewohnung bereitstanden.
    In der Nacht zuvor hatte er vor Schmerz und Aufregung kaum schlafen können. Schmerz, weil sein Sohn ihm die Neuigkeit über Projekt 4601 nicht mehr persönlich hatte mitteilen können; Aufregung, weil der Erfolg des Projekts ein großartiges Vermächtnis seines Sohnes war. Noch im Tod würde Ari für die größte Leistung in der langen Geschichte der Hessler Industries verantwortlich sein. Und zum ersten Mal seit vier Tagen hatte Paul ein Ziel, einen Grand zum Weitermachen.
    Die Bürotürme, in denen sich die Zentrale seines weltumspannenden Konzerns befand, erhoben sich auf einem neun Morgen großen Grundstück am East River. Hessler hatte das Land nach einem erbitterten Bieterstreit gekauft und die massiven Proteste der Konkurrenz gegen den Bau des riesigen Bürogebäudes so nahe am Wasser abgeschmettert.
    Entworfen nach dem Vorbild der berühmten Petronas Twin Towers in Kuala Lumpur, Malaysia, waren die beiden 90 Etagen hohen Türme von asiatischer Architektur inspiriert. Die Gesamthöhe betrug 450 Meter vom Straßenniveau aus. Es gab 30 Aufzüge, 65.000 Quadratmeter Glas und 75.000 Quadratmeter Stahl. Mehr als 30.000 Tonnen Beton waren für beide Türme zu Fundamenten gegossen worden. Für

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