Die Hüter der Nacht
Telefonat dein Job-Angebot zur Sprache.«
»Al-Asi will mich nicht gehen lassen. Stattdessen soll ich für ihn arbeiten. Er hat es dir erzählt, damit du es mir ausreden kannst.«
»Lass dich von mir nicht aufhalten, Inspector. Wir hatten alles besprochen und geplant.«
»Nein, Danielle, du hattest alles geplant. Ich konnte nur nicken, weil du mir keine Wahl gelassen hast.«
»Du wärst nicht gegangen, wenn das Baby gesund wäre.«
»Wer hat gesagt, dass ich gehe? Ich habe mich noch nicht entschieden. Falls ich gehen sollte, wird die Entscheidung nichts mit dem Baby zu tun haben.«
Danielle schaute ihn so an wie in vielen gemeinsamen Nächten. Es war lange her, seit er diesen Blick zum letzten Mal gesehen hatte. »Ich kann das ohne dich nicht schaffen, Ben. Nicht jetzt.«
»Du hast gehört, was der Arzt gesagt hat, Danielle.«
»Dann lauf weg! Tu, was du willst!«
»Ich will hier bleiben. Ich will, dass wir zusammenbleiben. Du bist es, die …«
»… ihr Kind als Jüdin aufziehen will, die stolz auf sein Vermächtnis sein kann? Ich bekenne mich schuldig im Sinne der Anklage. Und wenn du ernsthaft darüber nachdenkst, würdest du wissen, dass meine Entscheidung richtig ist.«
Ben starrte sie an. »Das ist jetzt nicht das Thema, und das weißt du.«
»Du gibst auf«, entgegnete Danielle heftig.
Ben senkte die Stimme zu dem Tonfall, den er immer dann benutzte, wenn sie zusammen im Bett lagen und er ihr Haar streichelte. »Manchmal ist es das Beste, was man tun kann.«
»Umziehen, meinst du?«
Er setzte sich zu ihr auf die Bettkante. »Komm mit mir.«
»Je nachdem, wie ich mich entscheide, was das Baby angeht?«
»Wie auch immer du dich entscheidest.« Ben dachte an das Gespräch, das Danielle vorhin mit Moshe Baruch geführt hatte. »Es ist ja nicht so, dass deine Karriere dich im Mittleren Osten festhält.«
Danielle gestattete sich ein Lächeln. »Eine suspendierte israelische Polizistin und ein palästinensischer Kriminalbeamter … Wir sind wie immer ein großartiges Team. Lass uns jetzt nach Tel Aviv fahren.«
46.
Abasca Machines war eine Firma für den Verkauf und die Wartung von Geräten verschiedenster Art; sie war in arabischem Besitz und befand sich in der Innenstadt von Tel Aviv. Ben hatte erfahren, dass das Hauptgeschäft der Firma eine neue Serie von Digital-Kopierern und der Vollservice für Büromaschinen war, die zum Leasing angeboten wurden. Offenbar war Zeina Ashawis Tipp, dem zufolge Shahir Falayas Job in Israel eine entscheidende Rolle bei dem Erpressungsplan der vier Klassenkameraden gespielt hatte, falsch gewesen.
Das Gefühl verstärkte sich, als sie schließlich dort eintrafen. Abasca Machines befand sich im Erdgeschoss eines dreistöckigen Gebäudes neben der Allenby Street in Tel Avivs Finanz- und Geschäftsdistrikt. Nachdem sie beim Überqueren der Straße, die im Verkehr zu ersticken drohte, ihr Leben riskiert hatten, sahen sie im Schaufenster ein stattliches Sortiment von Kopiergeräten verschiedener Größen und Fabrikate. Sie nahmen einen großen Teil des Verkaufsraums ein. Es gab sowohl neue als auch gebrauchte Kopierer im Angebot. In Regalen, die zwei Wände einnahmen, standen die kleineren Kopierer und Faxgeräte.
Danielle zeigte ihren Ausweis, doch ihr war klar, dass er wertlos sein würde, wenn eine Überprüfung durch einen schnellen Anruf bei der Nationalpolizei stattfand. Commander Moshe Baruch hatte den Ausweis nicht zurückverlangt, vielleicht weil er hoffte, sie bei etwas so Dummen wie dem Vorlegen eines ungültigen Dienstausweises zu erwischen.
Tabar Azziz, der Besitzer des Geschäfts, war ein beleibter Mann mit schütterem Haar, dessen Haarkranz um die Glatze flammend rot war. Bei seinem Lächeln entblößte er ein paar Zahnlücken, und er trug eine ausgebeulte blaue Hose und ein weißes Hemd. Seine abgekauten Fingernägel waren mit Tinte befleckt.
»Willkommen in meinem Geschäft«, grüßte er, nachdem ein Angestellter ihn aus einem hinteren Raum geholt hatte. »Bitte sagen Sie mir, wie ich Ihnen helfen kann. Ich mag die Polizei. Ich helfe Ihnen auf jede erdenkliche Weise.« Er sah Ben genauer an. »Sie sind kein Israeli.«
»Palästinenser.«
Azziz wich ein wenig zurück. »Arbeiten Sie beide zusammen?«
»Der Fall, in dem wir ermitteln, macht es erforderlich«, erklärte Danielle.
Die Überraschung war Azziz weiterhin deutlich anzusehen. »Möchten Sie Tee? Ich habe soeben welchen gemacht, heißen und kalten.«
»Danke. Vielleicht
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