Die Hüter der Schatten
nicht.
»Darf ich Ihr Telefon benutzen, Dr. Barnes?« fragte Frodo.
»Sicher«, gab Leslie zurück und schnitt sich selbst ein Stück Kuchen ab, stellte aber fest, daß sie keinen Appetit darauf hatte. Frodo verschwand in die Diele, um seinen Anruf zu tätigen, kam zurück und dankte ihr.
»Sollen wir jetzt zum Klavierverleih fahren, Em? Du brauchst ein Instrument.« Er schaute Leslie an. »Dr. Barnes, mein Vater braucht seinen Lieferwagen heute selbst. Könnten Sie mir Ihren Wagen leihen?«
Leslie nahm die Schlüssel aus der Tasche und reichte sie dem jungen Mann. Sie würde ohnehin nicht ausgehen, bis die Schlösser ausgetauscht waren, und wenn sie wirklich einen Wagen brauchte, konnte sie Simons Mercedes nehmen. Aber zuerst mußte sie den unangenehmen Anruf bei Simons Versicherungsagenten hinter sich bringen.
»Leslie, wenn ich etwas sehe, das mir wirklich gefällt, darf ich dann einen Scheck über eine Monatsgebühr ausstellen?« fragte Emily.
»Sicher, Schatz. Und sieh zu, daß das Instrument spätestens am Montag geliefert werden kann.«
»Zum Teufel mit Montag«, erwiderte Emily. »Wenn die Leute es nicht heute nachmittag liefern können, gehe ich woanders hin.« Frodo half ihr in den Mantel, als berühre er ein kostbares Juwel, und die jungen Leute brachen auf.
Den Rest des Tages war Leslie mit dem Versicherungsvertreter und dem Schlosser beschäftigt. Kurz nach vier hielt ein Streifenwagen vor dem Gartentor, und Schafardi und Ballantine stiegen aus.
»Wir wollten nur kurz vorbeischauen und uns überzeugen, daß es Ihnen gutgeht«, erklärte Schafardi, »und Ihrer Schwester natürlich auch. Ah, Sie haben die Fensterscheiben ersetzen und die Schlösser austauschen lassen. Gut so. Das kommt einem zwar vor, als würde man den Stall abschließen, nachdem das Pferd gestohlen ist, aber so, wie es heutzutage auf den Straßen zugeht, kann man gar nicht vorsichtig genug sein.«
»Trinken Sie einen Kaffee mit?«
»Gern, wir sind nicht im Dienst«, sagte Schafardi. »Wie geht es Emily?«
»Sie steht noch ziemlich unter Schock. Aber sie ist mit ihrem Freund« – wie selbstverständlich es schien, das zu sagen – »losgefahren, um ein Klavier zu mieten, damit sie weiter üben kann.«
»Das war eine gute Idee«, meinte Pat Ballantine. »Je weniger ihr normaler Tagesablauf gestört wird, desto besser für sie.« Lächelnd nahm sie den Kuchen in Augenschein, den Leslie vor sie hinstellte. »Sieht köstlich aus. Und schon wieder geht meine Diät den Bach runter …«
»Ach was, Pat«, tadelte Schafardi. »Du bist zu dünn und solltest zusehen, daß du ein bißchen was auf die Rippen kriegst. – Der Kuchen schmeckt großartig. Wo kaufen Sie ihn, Doc? Ich möchte meine Frau in diese Bäckerei schicken.«
Leslie verriet ihm, daß sie den Kuchen selbst gebacken hatte. »Alle Achtung. Dann hätte ich gern das Rezept«, sagte der stämmige Polizist.
Wie nett die beiden zu ihr waren! Aber auf gewisse Art gehörte Leslie ja zu ihnen. Schließlich war sie eine Freundin von Nick Beckenham und hatte ihnen bei der Arbeit geholfen, wie Alison schon vor ihrer Zeit. Leslie freute sich, daß die beiden sie so mochten. Es gab nichts Schlimmeres als einen korrupten Polizeibeamten – aber auch nichts Besseres als einen guten und ehrenhaften, der seinen unterbezahlten und schlecht angesehenen Job verrichtete, um die Schwachen und Verletzlichen zu beschützen. Sie war froh, Schafardi und Ballantine zu ihren neuen Freunden zählen zu können.
Als sie den Kuchen gegessen hatten, redeten sie sich mit Joe, Leslie und Pat an. Die beiden Polizisten inspizierten noch einmal das Haus und überprüften die Arbeit des Schlossers.
»Ja, die Leute von ›Key Korner‹ verstehen ihr Handwerk«, meinte Schafardi und nickte. »Sie haben auch bei mir zu Hause die Sicherheitsriegel eingebaut, als die Dinger gesetzlich vorgeschrieben wurden. Ist Ihnen noch irgendeine Idee gekommen, wie der Bursche ins Haus eingedrungen sein könnte?«
Leslie schüttelte den Kopf. Die Sache war ihr immer noch ein Rätsel.
»Ich mußte mich heute ein bißchen für Sie stark machen«, erklärte Schafardi. »Bei dem Versicherungsmenschen von der Gesellschaft, die das Cembalo versichert hat. Er ist auf dem Revier erschienen und wollte von mir wissen, ob meiner Meinung nach Betrug im Spiel sei. Er konnte sich nicht vorstellen, wie ein Einbrecher rein- und wieder hinausgekommen ist.«
Leslie spürte, wie ihr flau im Magen wurde. Sie hatte sich schon gefragt,
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