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Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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üben, wenn du Patienten hast.«
    »Ich möchte den Raum wirklich als Büro, Em. Ich habe mich in die Aussicht verliebt, weißt du. Außerdem läuft es ja auf dasselbe hinaus – wenn die Praxis schalldicht isoliert ist, kannst du auch in jedem anderen Zimmer spielen, wenn ich Patienten habe.«
    Emily runzelte die Stirn und legte den Kopf auf die Seite. »Warum in aller Welt richtet eine alte Frau sich einen schalldichten Raum ein?«
    »Vielleicht war sie Musikkritikerin und hat die Platten gern mit voller Lautstärke gespielt. Oder sie hat eine Urschrei-Therapie gemacht und wollte sich in aller Ruhe die Lunge aus dem Leib brüllen. Woher soll ich das wissen?«
    »Mir kommt das komisch vor«, meinte Emily düster. »So etwas tut man doch nicht ohne Grund.«
    Leslie lachte leise und nahm ein Kotelett aus dem Kühlschrank. »Das klingt wie die alte Theorie aus New England. Du weißt schon – die Puritaner waren der Meinung, wer bei Nacht das Rollo runterzieht, hat was zu verbergen. Möchtest du auch ein Kotelett, Em?«
    »Igitt! Nein, danke, ich mache mir ein Käsesandwich. Wie bringst du es nur fertig, Teile von toten Tieren zu essen?«
    »Besser als von lebendigen«, versetzte Leslie. Sie hatten dieses Thema bereits zur Genüge diskutiert.
    »Im ersten Stock liegen drei Zimmer«, erzählte sie weiter. »Ein kleines, das wir als Gästezimmer einrichten können, und zwei große, von denen du dir eines aussuchen kannst. Hast du Lust, heute abend noch hinzufahren und dir das Haus anzuschauen? Wir wären um zehn Uhr wieder zurück.«
    »Würde ich sehr gern, aber ich kann nicht. Am Sonntag muß ich den Chor begleiten und noch üben. Wie wär’s mit Freitag? Du könntest mich nach der Vorlesung abholen.«
    Im Geiste ging Leslie ihren Terminkalender für Freitag durch. Schon wieder Eileen Grantson und keine Zeit, vorher noch etwas über Poltergeister zu lesen. Nicht, daß Fodor und sein psychoanalytisches Gewäsch – wirklich ein sehr passender Ausdruck – Leslie eine große Hilfe gewesen wären.
    Und wenn du selbst der Poltergeist bist, nützt es Eileen sowieso nichts …
    »Also gut, am Freitag«, sagte sie. »Aber wir müssen um fünf zurück sein, weil ich dann eine Patientin habe.«
    Während das Kotelett brutzelte, berichtete Leslie ihrer Schwester weiter von dem Haus. Emily nahm das Waffeleisen auseinander, baute das kombinierte Gerät rasch zu einem Sandwichtoaster um und grillte sich ein Käsebrot. Dann stürzte sie ein Glas Milch herunter, schnappte sich einen Apfel und verschwand ins Wohnzimmer. Kurz darauf vernahm Leslie eine Reihe von Arpeggios, gefolgt von donnernden Akkorden, die nach Liszt klangen. Vielleicht sollte sie den schalldichten Raum doch Emily überlassen.
    Eigentlich hätte Leslie sich auf die Suche nach ihren Poltergeist-Büchern machen sollen – nach dem Buch von Fodor und von dem anderen Autor. Aber sie saß nur da und hörte Emily beim Üben zu. Leslie wußte, daß es ein Zögern war, von neuem die Welt des Unerklärlichen zu betreten, die sie aus Sacramento vertrieben und nun auch ihrer Beziehung mit Joel noch einen weiteren Knacks zu geben drohte. Falls es zum Bruch kam, würde er ihr fehlen.
    Das Telefon klingelte, und Leslie wollte zum Apparat in der Diele. Dann hörte sie, wie das Klavierspiel abbrach, und vermutete, daß Emily schon hingelaufen war. »Für dich, Leslie«, rief sie kurz darauf. »Wieder dieser Polizist aus Santa Barbara.«
    »Sag ihm, daß ich nicht ans Telefon kommen kann«, erklärte Leslie und ging mit langsamen Schritten in die Küche zurück.
    »Sie kann nicht ans Telefon kommen«, sagte Emily; dann lauschte sie eine Zeitlang. »Das ist ja wunderbar!« rief sie plötzlich aus. »Mensch, Les, sie haben das Kind gefunden – genau da, wo du es gesehen hast.« Sie hielt ihrer Schwester den Hörer hin, und Leslie nahm ihn entgegen.
    »Ich wollte, daß Sie sofort davon erfahren, Dr. Barnes«, vernahm sie die Stimme von Lieutenant Passevoy. »Wir haben das kleine Mädchen gefunden – Phyllis Anne Chapman. Genau da, wo Sie gesagt haben. Die Kollegen in Phoenix haben den Vater des Kindes überprüft, und wissen Sie was? Das Mädchen saß bei ihm und futterte seinen Geburtstagskuchen. Der Vater behauptet, er sei nach Santa Barbara geflogen, um seine Tochter zum Geburtstag zu besuchen. Als er das Kind allein antraf, hat er sich gedacht, er könnte seiner Frau einen kleinen Schrecken einjagen – der verdammte Idiot! Also sagte er bloß: ›Wir wollen Mommy

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