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Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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vielleicht von Frodo lernte, weniger perfektionistische Ansprüche an sich zu stellen?
    Mit einem seligen Seufzer betrachtete Emily das Cembalo. Dann setzte sie sich vor die Tasten. »Wußte ich doch, daß es einen Grund gab, mich durch Tante Whittys Vorlesungen zu langweilen!« rief sie fröhlich aus. »Sonst könnte ich jetzt keinen Rameau oder Scarlatti spielen!«
    Simon lachte herzhaft.
    »Ach du meine Güte«, sagte er. »Nennen die jungen Leute ihn immer noch so? Ich glaube, den Spitznamen für Whittington habe sogar ich erfunden. Der arme Mann! Er hat ein Herz aus Gold, läßt sich aber zu sehr von seiner Begeisterung mitreißen.«
    »Ja, nicht wahr?« pflichtete Emily ihm bei.
    »Kennen Sie Rameaus Rappel des Oiseaux, Emily?«
    »Ich kenne Ihre Platteneinspielung, seit ich ein junges Mädchen war. Ich habe sie schon in Sacramento studiert.«
    »Aber der Klang unterscheidet sich sehr von dem des Flügels«, warnte er sie. »Sie dürfen ein Cembalo niemals wie ein Klavier spielen. Der Anschlag ist vollkommen anders.«
    Emily nickte und begann zu spielen. Wie verzaubert von der zarten Musik stand Leslie da; sie hörte eine ganz neue Emily – so, als vereine das Instrument seine eigentümliche Klangfarbe mit ihrer Naturbegabung. Ihr Anschlag war noch forschend und vorsichtig, als würden Musikerin und Instrument einander erkunden. Aber irgendwie entsprach der Klang Emilys ganzer Erscheinung und vereinte die exquisite Perfektion des Balletts, das sie früher so geliebt hatte, mit der Musik des achtzehnten Jahrhunderts, der preziösesten aller Musikepochen.
    Sie hielt inne und blickte unsicher zu Simon auf. »Emily, ich glaube, Sie besitzen eine angeborene Begabung für das Cembalo«, erklärte der Musiker. »Was haben Sie diesen Sommer vor, wenn Boris Agrowsky in der Schweiz ist?«
    Emily seufzte. »Keine Ahnung, was ich anfangen soll. Ich weiß, daß er sich die Pause, diesen Urlaub verdient hat. Aber es gefällt mir nicht, daß ich dadurch an Boden verliere.«
    »Natürlich dürfen Sie Ihre Studien nicht unterbrechen«, meinte Simon entschieden. »Ich werde Ihre Ausbildung fortsetzen, solange Agrowsky in Europa ist. Wenn er zurückkommt … nun, dann sehen wir weiter.«
    Überrascht und erfreut blickte Emily zu ihm auf. Er tätschelte ihr die Wange.
    »Spielen Sie mehr Bach. Beschäftigen Sie sich mit Bach, soviel Sie können. Auf diese Weise lernen Sie mehr über das Cembalo, als ich Sie je lehren kann.«
    Emily ging zum Flügel und kehrte mit einem Band Bach-Sonaten zurück. Sie setzte sich wieder ans Cembalo und begann zu spielen. Simon hörte ihr einen Moment zu und legte dann Leslie die Hand auf die Schulter.
    »Ich glaube, hier sind wir überflüssig«, murmelte er. »Außerdem sollte man sich nie in die Angelegenheiten anderer einmischen. Und ich glaube, das Mädchen hat sich gerade verliebt. Gehen wir?« Er schob Leslie in die Diele. »Ich glaube, Emily ist für die nächsten vier oder fünf Stunden beschäftigt.« Er schmunzelte. »Würden Sie mit mir essen? Ich habe heute abend eine Orchesterprobe. Wenn Sie möchten, können Sie mich begleiten. Oder …« Er zögerte. »Ich weiß nicht … ich habe einfach angenommen, daß Sie die Musik ebenso lieben wie Ihre Schwester …«
    »Ich würde Ihre Einladung sehr gern annehmen, Simon, aber … Emily würde sich auch sehr darüber freuen.«
    Simon lachte. Immer noch lag seine Hand warm auf ihrer Schulter. »Emily ist ein reizendes Kind. Aber manchmal ziehe ich die Gesellschaft eines anderen Erwachsenen vor. Würden Sie mir die Ehre geben, Leslie?«
    Zum erstenmal hatte er sie mit ihrem Vornamen angesprochen. Lächelnd sah sie zu ihm auf.
    »Lassen Sie mich schnell nach oben gehen und mir etwas Passendes anziehen.«
    »So wie Sie sind, sehen Sie perfekt aus«, meinte er. »Aber wenn Sie meinen. Ich schreibe inzwischen eine Nachricht für Emily.«
    Während Leslie sich umkleidete, wurde ihr klar, daß Simon doch kein persönliches Interesse an Emily hegte, wie sie vermutet hatte. Schließlich kam es häufig vor, daß ein berühmter Mann reiferen Alters, attraktiv, männlich und von der Faszination des Rampenlichts umgeben, blutjunge Mädchen anzog. Stokowsky und Balanchine hatten beide in dem Ruf gestanden, jungen Frauen nachzustellen; und nicht nur das, sie hatten sie auch geheiratet – mehrere hintereinander. Durch seine Einladung hatte Simon diesen Argwohn Leslies widerlegt.
    Als sie die Treppe hinunterkam, hatte er sein Jackett und den schwarzen

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