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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
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die geistreichen Stunden, die sie mit Sebastian geteilt hatte, kurz entschlossen ab wie einen lästigen Mantel. »Ich hörte, du arbeitest an einem neuen Werk«, plauderte sie.
    Sebastians Gesicht wurde so weiß wie die Wand, vor der er stand. »Wer sagt das?«
    »Wer sagt was?«
    »Mein neues Werk. Woher weißt du davon, Cousine?«
    Irritiert von seinem Ton, zuckte Christiane mit den Achseln. Sie erwog, ihm zu beichten, dass sie gelauscht und von seiner Idee mit den Büchern für Reisende gehört hatte, verwarf diesen Gedanken aber rasch. Ein aufrichtiger Mensch wie Sebastian hätte sie getadelt. Deshalb erwiderte sie leichthin: »Ich glaube, Martha erzählte mir, dass du ständig am Arbeiten bist.«
    »Was weiß sie schon ...«
    »Wie, bitte? Sie ist deine Frau!«
    »Ja. Ja, genau. Und deshalb wäre es besser, wenn sie künftig den Mund hielte«, sprach er barsch und drehte sich abrupt um. Dabei geriet er ins Wanken.
    Christiane war mit zwei Schritten neben ihm, griff nach seinem Ellenbogen. Dabei glitt das Kleid von ihrem Arm, doch sie achtete nicht darauf, zu sehr damit beschäftigt, Sebastian zu stützen, bevor der große, kräftige Mann umfiel wie ein gefällter Baum.
    Ermattet lehnte er sich gegen das Stiegengeländer, wischte sich über das Gesicht. »Es ist der Schwindel«, murmelte er in sich hinein.
    »Du solltest nach Hause gehen und dich ausschlafen. Ich werde einen Sänftenträger rufen, der dich ...«
    Er antwortete mit einer ablehnenden Geste.
    Natürlich, dachte sie traurig, die Kosten. Er will die Kupfermünze sparen. »Dann bringe ich dich heim. In deinem Zustand kannst du unmöglich allein ...«
    »Lass mich, Christiane, lass mich einfach in Ruhe. Bitte!« Er sah sie an. Sein Blick tauchte in den ihren, als wollte er ihr auf diese Weise ein stummes Versprechen abringen. »Es geht nicht gegen dich«, fügte er kaum hörbar hinzu. »Ich liebe dich wie eine Schwester.«
    Sie nickte. Es kostete sie Überwindung, ihn fortzuschicken, doch ihr fiel nichts ein, womit sie ihn halten oder zu Martha begleiten könnte. Außerdem würde sie Titus Meitinger wahrscheinlich noch mehr gegen sich aufbringen, wenn sie sich sofort wieder auf den Weg machte. Ihr Schwiegervater meinte ohnehin, dass sie sich viel zu oft alleine in der Stadt herumtrieb. Sein mangelndes Verständnis für ihren Freiheitsdrang teilte er unglückseligerweise mit Severin, den sie jedoch auf ihrer Seite wissen wollte, falls der Streit mit Titus eskalierte. Der eigensinnige alte Mann brachte es noch fertig, sie im Haus einzusperren.
    »Dann geh, solange du dich noch auf den Beinen halten kannst. Ich werde vorbeikommen, sobald ich kann, und mich davon überzeugen, dass du dich im Bett befindest, wie es sichfür einen von der Arbeit erschöpften Mann gehört. Versichere mir nur, dass du die Feder für heute ruhen lässt.«
    »Wie könnte ich?«, raunte er, doch dann schenkte er ihr plötzlich ein ebenso überraschendes wie zuversichtliches Lächeln. »Das ist ein guter Gedanke. Ja. Ich werde mich ausruhen. Dann lassen sicher auch die Schmerzen nach. Mach dir keine Sorgen, Martha wird mich gut pflegen ... Ade, Christiane.«
6
    Wie jeden Samstagabend ging Christiane gleich nach dem Abendessen in ihre Schlafkammer und ließ sich von der Magd einen Zuber mit heißem Wasser bringen. Es war der Wochentag, den ihr Severin für die Körperreinigung vorschrieb. Nicht, dass sie etwas dagegen gehabt hätte, sich zu waschen. Auch genoss sie es, sich mit einem nassen Tuch abzureiben, das sie zuvor mit ein wenig Lavendelöl beträufelt hatte, und zuzuschauen, wie kleine Tropfen über ihre Brüste perlten. Es war die Regelmäßigkeit, die sie zermürbte: Denn in jeder Samstagnacht – und zu keiner anderen Stunde in der Woche – kam ihr Gatte ins Bett, um ihre eheliche Pflicht einzufordern.
    Sein Vater irrt, wenn er glaubt, Severin verzehrt sich vor Leidenschaft, sinnierte Christiane, während sie ihren schlanken, drahtigen Körper in das Leinentuch wickelte, das sie zuvor in Ofennähe über eine Stuhllehne gehängt hatte und das deshalb wunderbar angewärmt war. Sollte ihr Mann unter großer Sehnsucht leiden, so konnte er sehr gut damit umgehen und problemlos etwa vom Dienstag bis zum Samstag mit der Erfüllung warten.
    Vielleicht verzichtete er heute ausnahmsweise mal – und würde sie stattdessen am Sonntag nehmen ...
    Nein, das kam nicht in Frage. Nicht am Tage des Herrn.Doch genauso ungewöhnlich war, dass die Pressen in der Werkstatt noch immer bedient

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