Die Hüterin des Evangeliums
graben, und sein Atem würde rascher kommen, bis er nur noch keuchte. Sie hob ihm ihre Hüften entgegen, wie er es ihr in der Hochzeitsnacht gezeigt hatte, und fügte sich in seine Wünsche – oder das, was die Erfüllung ihrer ehelichen Pflicht hieß.
Severin drang in sie ein. Sie spürte ihn, und er tat ihr weh – auch das war wie immer. Die Stirn in ihr Kissen gestemmt, die Augen zugekniffen, wartete sie darauf, dass sich seine Erregung steigerte, um dann endlich abzuflauen ...
Im nächsten Moment dachte sie an Georg Imhoff. An seine Finger, die versonnen über den Rand eines Trinkbechers fuhren, und sie stellte sich vor, sie würden die Konturen ihrer Brüste nachzeichnen. Wie mochte es sein, seinen Körper auf ihrer Haut zu fühlen?
Christiane war mit all ihren Sinnen bei dem Mann, dem ihre Sehnsucht gehörte. Sie nahm kaum wahr, wie sich ihr Gatte Befriedigung verschaffte.
»Ahhh ...«, Severin stöhnte leise. Er brach über ihr zusammen.
Aus ihrem Traum gerissen, begann sie wieder tonlos zu zählen. Es würde bald vorbei sein, und Meitinger würde sich von ihr lösen. Sie bekam zwar kaum Luft, das Gesicht in ihr Kissen gepresst, aber sie wusste, dass sie nicht mehr lange in dieser unbequemen Position ausharren musste.
»Gute Nacht, Christiane«, wünschte er freundlich, richtete sich auf und warf sich auf seine Seite des Bettes. Unverzüglich fiel er in einen tiefen Schlaf. Ein leises Schnarchen war der Beweis.
Sie legte sich auf den Rücken. Mit offenen Augen starrte sie gegen den Betthimmel. Das Herz war ihr schwer. Nicht nur, dass ihr Körper Georgs Nähe verzweifelt herbeiwünschte. Ehebruch war kein Vergehen, das sich auf die leichte Schulter nehmen ließ. Und die Probleme, die ihr ihre Vergesslichkeitverschaffen könnte, waren auch nicht ohne. Warum hatte sie das Essigschwämmchen nur nicht benutzt? In den bisherigen Monaten ihrer Ehe war es überaus nützlich gewesen. Würde sie sich auch in Georgs Armen vor einer Schwangerschaft in Acht nehmen?
Plötzlich rannen stumme Tränen über ihre Wangen. Doch sie hob keine Hand, um sie fortzuwischen.
7
»Richte die Stube her und tische ordentlich auf«, forderte Severin seine Gemahlin am nächsten Morgen unvermittelt auf, als sie sich auf dem Rückweg von der Sonntagsmesse befanden. »Vater und ich erwarten heute Abend Gäste, Meistersinger, die nach dem Gottesdienst auf einen Becher Wein vorbeikommen werden.«
»Wie viele Herren werden es sein?«, erkundigte sich Christiane höflich.
»Nicht mehr als ein Dutzend, vielleicht sogar weniger«, gab Severin zurück.
Viele Freunde hast du ja nicht mehr unter den Meistersingern, die immerhin weit über zweihundert Mitglieder zählen, fuhr es Christiane durch den Kopf, aber sie enthielt sich des bissigen Kommentars. Denn dieser Mangel lag weniger an Severins Persönlichkeit als an der Tatsache, dass die Sänger des elitären Chors vorwiegend der Reformation angehörten und ihr Mann sich eben selten mit Häretikern gemeinmachte. Seine Hinwendung zu Sebastian Rehm bildete da wahrlich eine Ausnahme. Deshalb fragte sie sich eigentlich jeden Sonntag, wenn Vater und Sohn Meitinger zur Barfüßerkirche aufbrachen, warum die beiden derart verbissen an der Tradition festhielten. Zu allem Überfluss fanden die Veranstaltungenauch noch ausgerechnet in einem protestantischen Gotteshaus vor der Abendpredigt statt. Aber der Brauch war offenbar stärker als die Abneigung gegen den evangelischen Teufel.
Die nächsten Stunden verbrachte Christiane in der Küche und damit, Meitingers betagte, ebenso vergessliche wie mürrische und eigensinnige Magd dazu zu bringen, ihr bei der Herstellung eines geeigneten Imbisses zur Hand zu gehen. Kein üppiges Mahl. Eine umfangreiche Speisefolge hatte Severin ausdrücklich untersagt, denn es war noch Fastenzeit, und womöglich nahm der eine oder andere Gast Anstoß, wenn die Meitingerin kurz vor Gründonnerstag mehrere Fleischgerichte servierte, wie er es allerdings zu einer anderen Jahreszeit erwartet hätte. So bereitete sie eine Saiblingspastete vor, Salbeitorte, gefüllte Eier im Teigmantel und schob den Teig für den über die Grenzen der Stadt berühmten schwäbischen Käsekuchen in den Ofen, dessen Rezept die Bürgersfrauen an ihre Töchter vererbten.
Bis zum Eintreffen der Gäste blieb Christiane wenig Zeit, ihr Haar zu richten und sich umzuziehen. Dennoch ging sie mit der gewohnten Sorgfalt vor. Severin wäre verärgert, wenn sie sich seinen Freunden nicht von der besten
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