Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
Vom Netzwerk:
dachte, der Rat hätte Euch bereits informiert und deshalb ...«
    »Was ist los? Sprecht freiheraus!«
    »Es geht um Severin Meitinger. Er wurde gestern tot im Wald aufgefunden.«
    »Was für ein Unsinn!«, entgegnete sie. Sie umfasste das Kind auf ihrer Hüfte fester. »Ihr seid einem üblen Scherz aufgesessen. Mein Mann ist auf Reisen und lebt. Ich erwarte ihn heute zurück.«
    Sein Griff lockerte sich. Nun wollte er sie nicht mehr aufhalten, sondern wohl eher stützen. Dennoch gewann seine Stimme an Förmlichkeit: »Es tut mir leid, Euch sagen zu müssen, dass der Druckermeister Severin Meitinger im Wald westlich der Stadt erschlagen wurde. Leute von der Posthalterei Auerbach haben ihn gestern Abend gefunden.«
    Das ist absurd, dachte Christiane. Warum erschreckte Pater Ehlert sie mit solchen Lügen? Wollte er ihr Bösartigkeiten vom Teufel zuflüstern, um ihr Luzifer anschließend austreiben zu können? Brauchte der Exorzist ein neues Opfer?
    Ihr Blick fiel auf seine Hand an ihrem Arm. »Lasst mich los, Pater Ehlert. Ihr könnt mich nicht einschüchtern mit Euren Schauergeschichten. Ich werde jetzt nach Hause gehen und der Rückkehr meines Gatten harren, wie es sich gehört. Und dann werde ich mich davon überzeugen, dass Eure Worte nichts als übles Gerede sind.« Für einen Priester ziemlich schändliche Behauptungen sogar, fügte sie in Gedanken hinzu.
    Der kleine Johannes verstand ihre Worte noch nicht, aber er bemerkte den veränderten Ton, in dem sie sprach. Er begann zu zappeln, verlor dabei seine Zuckerstange und brach unverzüglich in Tränen aus, als die Schleckerei zu Boden fiel. Verzweifelt fuchtelte das Kind mit den Händchen herum und steckte seine klebrigen Finger in Christianes Frisur.
    »Betet für die arme Seele«, sagte der Geistliche leise und gab sie frei.
    Christiane starrte ihn an. Irgendetwas sagte ihr, dass seine Glaubwürdigkeit durch die Beharrlichkeit gewann. Deshalb ging sie nicht ihres Weges, ignorierte sogar den Buben, derlangsam das Gewicht eines Getreidesacks annahm und stetig schwerer wurde und darüber hinaus in ihr Ohr schrie. Widerwillig formten ihre Lippen die Frage: »Woher wollt Ihr so genau wissen, was gestern geschah?«
    »Ich war selbst auf Reisen, zu Ingolstadt bei meinem Oberhirten Pater Canisius. Die Posthalterei Auerbach war meine letzte Station vor dem Eintreffen in Augsburg. Somit konnte ich mich selbst überzeugen ...«, er brach ab, zauderte, überlegte wohl, wie weit er mit seiner Beschreibung gehen durfte, und sagte schließlich schlicht: »Ich habe Meitinger die letzte Ölung gegeben.«
    Seltsam, fuhr es Christiane durch den Kopf. Es war seltsam, dass dieser katholische Geistliche sowohl Sebastian als auch Severin mit den Sterbesakramenten versorgt hatte, obwohl der eine Protestant gewesen war und der andere einen langjährigen Beichtvater besessen hatte. Wieso war Pater Ehlert bei beiden Todesfällen in der Nähe?
    Unsinn!, schalt sich Christiane in Gedanken. Was soll das? Sie glaubte doch gar nicht, dass Severin tot war. Erschlagen. Was für eine furchteinflößende Geschichte! Sollte der Teufel doch den Jesuiten selbst holen.
    Sie straffte die Schultern. Dabei hatte sie das Gefühl, unter Johannes’ Gewicht einknicken zu müssen. Dann steckte sie dem Kleinen einen Finger in den Mund, an dem er sogleich gierig zu saugen begann. Glücklicherweise kehrte auf diese Weise Ruhe ein. In ihrem Ohr hallte ein leises Klingeln nach.
    »Ich glaube Euch kein Wort«, erklärte Christiane hochmütig. »Es ist mir ein Rätsel, warum Ihr solche Sachen sagt, aber eigentlich ist das egal, denn schlussendlich zählt nur die Wahrheit. Ich werde meinem Mann erzählen, welchen Schrecken Ihr mir einzujagen versuchtet, und er wird dafür Sorge tragen, dass man Euch aus der Stadt jagt und ...«, die Stimme versagte ihr den Dienst. Verdammt, warum strömten plötzlich Tränenaus ihren Augen? Das kommt von meiner Wut, redete sie sich ein.
    Jubel brach um sie aus. Von irgendwoher ertönten Trompetenklänge, formten sich zu einer Melodie, die immer lauter wurde. Bewegung kam in die Menge, sie wogte in eine Richtung, teilte sich, verschluckte den Tanzbären am Rande von Christianes Gesichtskreis. Die Stadtpfeifer in ihren bunten Uniformen bahnten sich unter dem Beifallssturm der Kirmesbesucher ihren Weg zum Rathaus: fünf Männer, die ein einzigartiges Privileg besaßen und es in Bayern und Schwaben zu einiger Berühmtheit gebracht hatten.
    Johannes vergaß vor Verwunderung über die

Weitere Kostenlose Bücher