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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
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Schweiß den Nacken hinabrann. Sie konnte seine Nervosität gut nachvollziehen, denn immerhin hatte sie beobachtet, wie der Mann den ungeheuerlichen Betrag von fünf Kronen auf Loch Nummer fünf gesetzt hatte.
    Und da – die Maus steckte ihre Nase tatsächlich durch diese Öffnung ...
    Ein Raunen ging durch die Menge. Der Gewinner gab ein zufriedenes Grunzen von sich, einige Männer schlugen ihm anerkennend auf die Schulter, Christiane klatschte in die Hände.
    Sie liebte den Jahrmarkt in seiner bunten Verrücktheit, den Lärm, die Musik, die Gaukler und ihre Spiele, die Auslagen der Gold- und Silberschmiede, der Schreiner und Tuchhändler. Schon als Kind war sie außer Rand und Band gewesen, wenn die Buden vier Mal im Jahr auf dem Perlachplatz aufgebaut wurden; später hatte sie auf dem Tanzboden im Rathaus die Röcke fliegen lassen, wenn die Stadtjugend die Kirchweihmesse feierte. Diese Zeiten waren seit ihrer Heirat leider vorbei, denn Severin tanzte nicht, und damit musste sie diesem Vergnügen entsagen.
    Einen Spaziergang über die Kirmes ließ sie sich jedochnicht nehmen. Für sie gab es keinen besseren Ort, ihre Sorgen für eine Weile zu vergessen: Georg Imhoff verschwand aus ihren Gedanken, und die Sache mit den Fälschungen verlor an Wichtigkeit, als sie mit dem kleinen Johannes auf dem Arm, an einer Zuckerstange schleckend, über den Markt schlenderte. Das Mäusespiel hatte ihr Interesse geweckt, und so hatte sie sich dem Kreis der Zuschauer angeschlossen. Eine Münze zu riskieren, kam nicht in Frage, eine Dame ohne Begleitung setzte nicht in aller Öffentlichkeit auf ihr Glück.
    Der Auftritt des Nagetiers bereitete dem Kind ebenso viel Freude wie ihr, denn Marthas Sohn jauchzte vor Vergnügen. Christiane schwang den Kleinen fröhlich durch die Luft.
    »Ja, Meitingerin, was für eine Überraschung, Euch so gutgelaunt anzutreffen!«
    Während dem Mann neben ihr der Gewinn ausbezahlt wurde – eine Summe, für die sich ein Bad im eigenen Schweiß sicher gelohnt hatte –, wandte sich Christiane langsam zu der Stimme um, die sie angesprochen hatte. Missfällig betrachtete sie den Geistlichen in der Gelehrtenkleidung, den sie bisher nur zweimal gesehen hatte, aber dennoch auf den ersten Blick erkannte.
    »Pater Ehlert, nicht wahr?«, fragte sie höflich, obwohl sie den Namen des Jesuiten nicht vergessen hatte, der sowohl die Teufelsaustreibung an der Hübschlerin vorgenommen als auch Sebastian Rehm die Sterbesakramente verabreicht hatte. Das Strahlen in ihrer Miene verschwand und wich Achtsamkeit. Ihre bisherigen Begegnungen waren nicht dazu angetan, dem Priester Vertrauen entgegenzubringen.
    Er schenkte dem Kind ein beifälliges Lächeln. »Das ist der Sohn von Martha und Sebastian Rehm«, stellte er fest. »Gesund sieht er aus. Die Pflege in Eurem Haus scheint ihm zu bekommen ...«
    »Woher ...?«, hob Christiane an, biss sich dann jedoch aufdie Unterlippe. Was spielte es für eine Rolle, ob der Pater wusste, dass ihre Cousine und der Kleine bei ihr wohnten? Bestimmte Dinge sprachen sich rascher herum, als einem lieb war, selbst in einer so großen Stadt wie Augsburg.
    Sie wandte sich von dem Spieltisch ab und schlenderte ein paar Schritte, wenig erstaunt, dass Pater Ehlert ihr folgte. »Seiner Mutter geht es weit weniger gut«, plauderte sie währenddessen. »Die Rehmin fühlt sich nicht wohl, sonst hätte sie uns begleitet.« Das konnte sie guten Gewissens erzählen, da er ja ohnehin alles zu wissen schien.
    »Dann scheint Eure Cousine mehr mitgenommen von dem schrecklichen Todesfall als Ihr.«
    Behauptete der Jesuit etwa, sie trauere nicht ausreichend um Sebastian? Christiane spürte Unbehagen in sich aufsteigen und eine abgrundtiefe Abneigung gegen den Pater. »Natürlich«, erwiderte sie kühl. »Wer könnte ihr das verdenken? Der Verstorbene war schließlich ihr Mann.«
    Der Geistliche blieb abrupt stehen und hielt sie am Arm zurück, als sie weitergehen wollte. »Wisst Ihr es etwa noch nicht?«, fragte er.
    »Was?«, Sie sah ihn argwöhnisch an, drauf und dran, seine Hand wie ein lästiges Insekt abzuschütteln. In ihrem Rücken brummte ein Tanzbär, und die Zuschauer applaudierten. Sie hätte Johannes das Spektakel gerne gezeigt, aber Höflichkeit und letztlich auch Neugier hielten sie davor zurück, einfach fortzulaufen.
    »Dass Euer Gatte ...«, der sonst so souveräne Pater Ehlert zögerte, dann erklärte er mit gesenkter Stimme: »Dies ist kein geeigneter Ort, um Euch zu unterrichten. Ich

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