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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
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Severin würde danach fragen ... Die Pflichten wurden zu einem Karussell, das sich in ihrem Kopf drehte – immer schneller, immer verwirrender. Ihr schwindelte.
    Der Fremde schien seine Sprachlosigkeit überwunden zu haben: »Ihr seid die Meitingerin?«, erkundigte er sich förmlich, doch es klang nicht wie eine Frage, sondern wie eine Feststellung, die keiner Antwort bedurfte. Trotzdem nickte sie stumm. »Verzeihung, ich nahm an, die Frau, die ich fand, sei die Witwe des Druckermeisters ...«
    Christiane riss ihre Augen auf.
    »Denkt nicht, ich sei unhöflich«, fuhr er ruhig fort. »Die Ereignisse haben sich ein wenig überschlagen. Mein ursprüngliches Anliegen war ein Besuch bei dem Dichter Sebastian Rehm. An seiner alten Adresse sagte man mir, dass ich seine Witwe bei Euch finden könne. Ich war nicht auf den Gedanken gekommen, dass sie ... nun ja, ich fürchtete, die schreckliche Nachricht habe die Fehlgeburt ausgelöst. Deshalb verwechselte ich sie irrtümlich mit Euch. Sie ist doch Frau Rehm, oder?«
    »Es gibt keine Witwe des Druckermeisters , jedenfalls keine in diesem Haus«, sagte Christiane schwach, die dem Wortschwall kaum gelauscht hatte. »Mein Gemahl ist auf Reisen. Ich erwarte ihn heute Abend zurück.«
    Er erbleichte. »Wisst Ihr es denn noch nicht? Himmel, wie langsam sind die Ratsboten zu Augsburg, dass eine Frau baldeinen Tag nach dem Tod ihres Mannes noch nichts von dem Unglück erfahren hat?« Er schluckte seinen Ärger hinunter und fügte sanft hinzu: »Es tut mir leid.«
    Christiane konnte nicht verhindern, dass Tränen aus ihren Augen liefen. Ihr kam es vor, als sei ihr der Boden unter den Füßen fortgezogen worden. Sie konnte sich nicht erklären, warum sie diesem Fremden mehr Glauben schenkte als dem Jesuiten, aber sie bezweifelte nun keinen Herzschlag lang mehr, dass Pater Ehlert die Wahrheit gesprochen hatte: Severin Meitinger war tot, ums Leben gebracht von fremder Hand. »Dann ist es also wahr«, murmelte sie in sich hinein.
    Wolfgang Delius räusperte sich. »Es tut mir leid«, wiederholte er. »Ihr habt Euren Gatten sicher sehr geliebt ...«
    »Nein«, sie hob ihr tränennasses Gesicht zu ihm empor. »Das habe ich nicht«, gestand sie leise und redete drauflos, als sei ein Damm gebrochen: »Aber er war da. Er war mein Mann. Er hat für mich gesorgt, und ich konnte mich um Martha kümmern. Was soll nun aus uns werden ohne seine Unterstützung? Obgleich er streng war und stets ein wenig unfreundlich, öffnete seine Großzügigkeit mein Herz, er war ein guter Mensch. Das hätte genug sein müssen für eine glückliche Ehe, nicht wahr? Ich habe ihm unrecht getan ... und nun kann ich nichts mehr gutmachen«, ihre letzte Bemerkung erstickte in einem Schluchzen.
    Stille senkte sich über Christiane und den Fremden. Lediglich das zufriedene Geplapper des kleinen Johannes unterbrach ihr Schweigen. Das Kind ließ einen Silberbecher hin und her rollen, den ihm Wolfgang Delius aus der Sammlung auf dem Regal zum Spielen gegeben hatte.
    Nach einer Weile schien es Christiane, als erwache sie aus einem Traum. Sie fühlte den Blick ihres Gastes auf sich ruhen, und langsam kehrte sie in die Wirklichkeit zurück. Peinlich berührt erkannte sie die Unangemessenheit der Situation.Ohne darüber nachzudenken, hatte sie einem unbekannten Mann Einblick in ihre Seele verschafft. Geleitet von Schock und Verzweiflung, war sie in ihrer Mitteilsamkeit zu weit gegangen. Schamesröte zog über ihre Wangen, die ohnehin bereits vom Weinen mit roten Flecken gesprenkelt waren.
    Doch mit dem Entsetzen über die eigene Unzulänglichkeit kehrte die Vernunft wieder zurück. Christiane wischte sich mit den Fingern über die Augen und richtete sich so schwerfällig auf, als sei sie in den vergangenen Minuten um Jahrzehnte gealtert.
    »Was müsst Ihr nur von mir denken?«, nuschelte sie mit noch immer erstickter Stimme und rang die Hände. »Vergesst, bitte, was ich gesagt habe. Eure Bestätigung der schrecklichen Nachricht hat mich jede Gastfreundschaft vermissen lassen. Könntet Ihr vielleicht ein andermal wiederkommen? Ihr müsst verstehen – dies ist nicht der geeignete Moment für einen Besuch.«
    Langsam gewann ihre praktische Art wieder die Oberhand. Wusste Titus schon vom Tod seines Sohnes? War er deshalb noch nicht im Haus? Sie sollte umgehend mit ihrem Schwiegervater sprechen. Wenn sie nur wüsste, mit welchem Ziel er aufgebrochen war. Und sie sollte den Zunftmeister informieren. Was würde nur aus der Druckerei

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