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Die Hüterin des Schattenbergs

Die Hüterin des Schattenbergs

Titel: Die Hüterin des Schattenbergs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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dieser Nacht in Gestalt der Hüter zeigten. V on nun an würde sie gelassen bleiben.
    Ein Blick auf die albtraumhafte Szene auf dem See verriet ihr, dass sich von den zehn Hütern nur noch fünf über W asser hielten. A ber das Bild hatte seinen Schrecken verloren. Jetzt da sie wusste, dass alles nur ein T rugbild und T eil der Prüfung war, gelang es ihr, ruhig zu bleiben.
    Am längsten hielt Burcan durch. Bis zum Schluss versuchte er noch, einen anderen Hüter über W asser zu halten und mit ihm zur Insel zu schwimmen. Dann verließen auch ihn die Kräfte …

5
    A ls Jemina erwachte, dämmerte es. Die Sonne hatte nicht die Kraft, den Nebel über der Insel zu vertreiben, dennoch zeugte die zunehmende Helligkeit davon, dass jenseits des allgegenwärtigen Grau ein neuer T ag angebrochen war.
    Jemina richtete sich auf und streckte die schmerzenden Glieder. A usgeruht fühlte sie sich nicht. Daheim bestand ihr Lager aus einem mit Stroh gefüllten Sack, über dem eine dicht gewebte W olldecke lag. Sie war es nicht gewohnt, auf dem harten Boden zu schlafen und glaubte, jeden Muskel zu spüren. Noch schlimmer aber als die körperliche Pein war der A ufruhr, den der T raum der vergangenen Nacht in ihren Gedanken zurückgelassen hatte. Normalerweise vergaß sie ihre T räume; dieser aber haftete an ihr wie ein lebendiges Ding und ließ sich einfach nicht abschütteln. Immer wenn sie die A ugen schloss, sah sie die Hüter wieder in den Fluten des Nebelsees versinken – Efta, Galdez, Burcan und all die anderen.
    Noch immer wunderte sie sich über den seltsamen T raum. Zwar waren auch die ersten drei Prüfungen zunächst nicht als solche zu erkennen gewesen, aber alle hatten eine A uflösung erfahren. Der T raum nicht. Die Nerbuks hatten sich ihr danach nicht einmal gezeigt.
    Seltsam. Jemina runzelte die Stirn. Nun, immerhin ist es T ag und ich bin noch am Leben, versuchte sie sich etwas Zuversicht zu vermitteln. Doch obwohl der heraufziehende Morgen ein eindeutiger Hinweis darauf war, dass sie die Prüfung bestanden haben musste, wollte sich bei ihr keine richtige Freude einstellen. Ihr war, als hätte sie etwas begonnen und nicht beendet.
    »Genug gegrübelt, Jemina!«, ermahnte sie sich schließlich laut. »Die Sonne ist aufgegangen und ich lebe noch. Das sollte mir Beweis genug sein, dass ich die Prüfung bestanden habe.«
    Da sie nicht wusste, was nun von ihr erwartet wurde, beschloss sie, zum Ufer des Sees zu gehen und dort auf die Rückkehr der Hüter zu warten. Den Gedanken, auf der Lichtung auszuharren, bis man sie holen kam, verdrängte sie gleich wieder. Sie musste etwas tun. Entschlossen erhob sie sich, klopfte Gräser, Schmutz und Blätter von der Puera, und glättete das kostbare Gewand mit den Händen so gut es ging. Dann hob sie ihren Umhang auf und machte sich auf den Rückweg.
    Nun zahlte es sich aus, dass Efta sie auf ihren W anderungen immer wieder ermahnt hatte, sich W egmarken einzuprägen, um notfalls auch allein in Nacht oder Nebel den Heimweg finden zu können. »Ich bin eine alte Frau«, hatte Efta oft halb im Scherz gesagt. »Wer weiß, wann die Götter mich zu sich rufen. Es ist nicht verkehrt, auf alles vorbereitet zu sein. W er sich immer nur auf andere verlässt, wird nie die Sicherheit finden, die er sich selbst durch das eigene W issen geben kann – auch wenn dieses oft erst hart erarbeitet werden muss.«
    So hatte Jemina die Umgebung auch auf dem W eg zur Lichtung wie selbstverständlich nach Besonderheiten abgesucht und sich diese eingeprägt, ohne es bewusst wahrgenommen zu haben. Die Suche nach der Stelle, an der sie und die Hüter die Lichtung betreten hatten, gestaltete sich aber auch ohne diese nicht schwierig, denn die vielen Füße hatten am V orabend eine Spur im feuchten Gras hinterlassen, die sich auch jetzt noch deutlich abzeichnete.
    Jemina schritt eilig aus. Der Rückweg erschien ihr sehr viel kürzer als die Strecke, die sie mit den Hütern gegangen war, und so erreichte sie schon bald den schmalen Uferstreifen, an dem die Barke am A bend zuvor angelegt hatte.
    Es war eine sandige Bucht, deren Ufer nur spärlich mit Gräsern und niedrigem Buschwerk bewachsen war. Das doppelt mannshohe Schilf, das die Insel wie ein breiter Gürtel umschloss, wies an dieser Stelle eine geraume Lücke auf, sodass die Barke ein Stück weit auf das Ufer hatte hinaufgleiten können. Deutlich war noch die Furche zu erkennen, die der Kiel in den Sand gegraben hatte und die unzähligen Fußabdrücke

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