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Die Hüterin des Schattenbergs

Die Hüterin des Schattenbergs

Titel: Die Hüterin des Schattenbergs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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würde die Zeit kommen, da sich die Selketen von den tugendreinen V orbildern der V ergangenheit lösen und in ein neues Zeitalter aufbrechen würden. Ein Zeitalter, dem er seinen Stempel aufdrücken würde. Ein Zeitalter ohne Hüterzirkel und die ständige Bedrohung durch die Schatten im Berg.
    Sein halbes Leben lang hatte er für dieses Ziel geforscht und die V oraussetzungen dafür geschaffen. Dann, als er es fast erreicht hatte, hatte der Rat ihm untersagt, seine Magie anzuwenden.
    Corneus ballte die Fäuste. Er spürte die W ut in seinen Eingeweiden gären. W ut über die Blindheit, mit der die anderen Magier geschlagen waren. W ut über ihre Unfähigkeit, zu erkennen, welche Möglichkeiten sich auftaten, wenn sie seiner Magie vertrauten. W ut über sich selbst, weil er auch als Meistermagier weder die Macht noch den Mut besaß, seine Forschungen fortzuführen.
    Mit der Ernennung zum Meistermagier glaubten die anderen, ihn ruhig gestellt zu haben. A ber das war ein Irrtum.
    Er würde nicht eher ruhen, bis auch der letzte Schatten aus Selketien vertrieben war. Sein ganzes Leben hatte er diesem Ziel gewidmet. Nur darum hatte er sich zum Schein auf den Handel Überzeugung-gegen-Amt eingelassen. Nur darum hatte er sich vorläufig dem W illen des Rates gebeugt. In W irklichkeit aber hatte er nichts von dem aufgegeben, was unvollendet in den Kellergewölben der Magierfeste ruhte. Er wartete, auch wenn die Ungeduld nur schwer zu ertragen war und allein die Gewissheit, dass sein W erk jederzeit aus dem aufgezwungenen Schlaf erweckt werden konnte, tröstete ihn.
    Bis dahin würde er sich in Geduld üben und das Lächeln ertragen, mit dem Orekh ihn aus dem vergoldeten Rahmen heraus zu beobachten schien. Dieses unerträglich freundliche Lächeln, das ihn jeden T ag aufs Neue verhöhnte.
    Corneus warf eine Beere nach dem Bild, die auf Orekhs W ange zerplatzte und einen roten Fleck hinterließ. Es war nicht der erste Fleck auf dem Bild, aber Orekh lächelte so unerschütterlich weiter, wie man es nach einer Demütigung von einem Heiligen erwarten konnte.
    Obwohl … Corneus stutzte. Etwas stimmte nicht. Er legte die Beere, die er noch zwischen den Fingern hielt, zurück auf den T eller, stand auf und trat vor das Bild, um es näher zu betrachten.
    Seltsam. Er blinzelte verwirrt. Er hatte das Bild schon unzählige Male angesehen, ohne dass ihm etwas aufgefallen war. A n diesem Morgen jedoch schien sich das Lächeln verändert zu haben; er war, als läge plötzlich ein Schatten darauf.
    Es klopfte wieder. Diesmal länger und energischer und eine Stimme fragte: »Meister Corneus? Seid Ihr schon wach?«
    Inerias.
    Corneus murmelte etwas Unverständliches. Für einen Moment erwog er, einfach so zu tun, als schliefe er noch, doch schon im nächsten A ugenblick klopfte es erneut. »Meister Corneus. Hört Ihr mich?«, fragte Inerias durch die geschlossene T ür. »Ein Bote vom Schattenberg ist angekommen. Er sagt, er habe dringende Neuigkeiten von Meister Pretonias und verlangt, Euch zu sprechen.«
    »Ein Bote?« Corneus zog erstaunt eine A ugenbraue in die Höhe. Gesandte, die vom Schattenberg kamen, waren seltene Gäste in der Feste. »Ist dir das Lachen deshalb vergangen?«, richtete er leise eine Frage an Orekh, während er das Portrait des Großmeisters mit zusammengekniffenen A ugen musterte.
    Kurze Zeit später saß ihm der Bote vor dem behaglichen Kaminfeuer gegenüber, das die Bediensteten bei jedem Sonnenaufgang entzündeten.
    »Nun? W as gibt es Dringendes, dass du mich zu so früher Stunde aufsuchst?« Corneus schaute den Boten aufmerksam an. Inerias hatte er nicht hereingebeten. Der junge Magier war talentiert, galt aber als geschwätzig und gehörte nicht zum Kreis von Corneus’ V ertrauten.
    »Meister Pretonias schickt mich«, erwiderte der Bote in der knappen A rt seines Berufsstandes. »Er trug mir auf, Euch davon zu unterrichten, dass sich im Schattenberg Unruhe regt.«
    »Unruhe?« Corneus zog erstaunt eine A ugenbraue in die Höhe. »Das ist weder neu noch ungewöhnlich. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Schatten jemals ruhig waren.«
    »Diese Unruhe ist offenbar von besonderer A rt.« Der Bote griff unter seinen Umhang und zog ein versiegeltes Pergament hervor. »Pretonias bat mich, Euch dies zu geben.«
    Corneus nahm das Schriftstück an sich, öffnete es und studierte aufmerksam die Zeilen, die Pretonias mit der ihm eigenen geschwungenen Federführung niedergeschrieben hatte. W as dort zu lesen stand,

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