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Die Hüterin des Schattenbergs

Die Hüterin des Schattenbergs

Titel: Die Hüterin des Schattenbergs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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V ersuche, sich von der Felswand zu lösen, deren feuchtkaltes Gestein ihr ein trügerisches Gefühl von Sicherheit vermittelte, scheiterten.
    Ich kann das nicht, schoss es ihr durch den Kopf. Ich kann nicht weitergehen. Nicht einen Schritt. Jemina atmete schnell, ihr Herz raste. Niemals zuvor, weder beim A nblick der Nerbuks, noch bei den Prüfungen auf Doh-Jamal, hatte sie sich so sehr gefürchtet, wie hier auf dieser entsetzlichen T reppe, wo es nichts gab, was sie vor einem Sturz in den A bgrund bewahren würde, wenn sie einen falschen Schritt tat.
    »Jemina, bitte, geh!« Rik berührte sie sanft am A rm. »Es ist der einzige W eg zur Hohen Feste. W ir haben keine andere W ahl.«
    Die Berührung war tröstlich, dennoch rührte Jemina sich nicht. Die A ngst hatte sie zu fest im Griff. Über ihnen, auf der anderen Seite des Schachts, war Salvias stehen geblieben. Er schien endlich bemerkt zu haben, dass sie ihm nicht folgten, denn das Licht seiner Fackel verharrte an einer Stelle.
    »Verdammte Schatten!«, rief er ihnen zu und der Nachhall seiner Stimme ließ erahnen, wie gewaltig der Hohlraum im Fels sein musste. »Wo bleibt ihr denn?«
    »Die Hüterin fürchtet sich!«, gab der zweite Drachenreiter A ntwort.
    Salvias fluchte unüberhörbar.
    »Jemina!« In Riks eben noch sanftmütiger Stimme schwang ein ärgerlicher Unterton mit. »Wir müssen weiter. Geh endlich!«
    »Ich … ich kann nicht!« Jeminas Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Eine düstere V orahnung wisperte ihr zu, dass sie in den T od stürzen würde, wenn sie sich von der Felswand löste. Furcht schnürte ihr die Kehle zu. Ihre Lippen bebten und sie zitterte am ganzen Körper
    »Unsinn, natürlich kannst du.« Rik schien zu spüren, dass er mit seinem Drängen nicht weiterkam und sprach nun wieder so sanft und mitfühlend wie zuvor. »Es sind noch viele Stufen, aber die meisten sind in einem guten Zustand. Solange wir uns nahe der Felswand bewegen, kann uns nichts passieren. Sieh nur, wie weit Salvias schon gekommen ist. Das können wir auch.«
    »Nein … nein.« Jemina hielt den Blick gesenkt und schüttelte den Kopf. Sie wäre gern mutig gewesen und schämte sich für ihre Schwäche, aber etwas in ihr machte jede Bewegung unmöglich. »Meine Beine. Sie gehorchen mir nicht. Es … es geht nicht.«
    »Warte.« Etwas raschelte und ein Schatten schob sich vor das Licht von Salvias’ Fackel. Rik! Jemina erschrak. Nur eine Handbreit vom A bgrund entfernt zwängte er sich an ihr vorbei, offenbar entschlossen, die Führung zu übernehmen. Jemina wagte nicht hinzusehen. Mit angehaltenem A tem, die Hände zu Fäusten gefallt, wartete sie darauf, dass Rik in den A bgrund stürzte. A ber da war Rik auch schon an ihr vorbei.
    »Gib mir deine Hand«, hörte sie ihn nun von oben sagen und spürte gleichzeitig, wie seine Hand ihre verkrampften Finger umschloss. »Hab keine A ngst. W ir schaffen das.«
    Die W orte reichten nicht, um Jeminas Furcht zu verdrängen, aber ein wenig von der Zuversicht, die darin mitschwang, übertrug sich auf sie. Für wenige Herzschläge zögerte sie noch, dann siegte das V ertrauen über die A ngst. Sie löste ihre Finger vom Gestein und ergriff Riks Hand.
    »Alles wird gut, du wirst sehen«, sagte Rik. »Wir müssen nur langsam gehen und achtsam sein.« Seine Hand hielt die ihre fest umschlossen, als er die nächste Stufe betrat. Jemina folgte ihm. V orsichtig tat sie den ersten Schritt. Dann noch einen und noch einen, immer darauf bedacht, den Kontakt zur W and nicht zu verlieren. Zuerst nur langsam, dann etwas schneller, erklomm sie Stufe um Stufe und bewegte sich, geführt von Rik, auf das einsame Licht von Salvias Fackel zu, das ihnen den W eg wies.

3
    C orneus starrte auf die üppig mit Speisen belegten Platten, welche die Diener wie an jedem Morgen in seinen Gemächern aufgetischt hatten. W achteln und T auben lagen neben zahlreichen anderen Gaumenfreuden, in leuchtenden Farben, appetitlich angerichtet und einen Duft verströmend, der ihm das W asser im Mund zusammenlaufen ließ. Dessen ungeachtet, rührte er weder die eingelegten Früchte, noch den herzhaften Käse an, den er so sehr liebte. Die erlesenen Köstlichkeiten, die für die Kaste der Magier längst zu einer Selbstverständlichkeit geworden waren, erschien ihm an diesem Morgen wie ein Sinnbild dessen, was auf dem Spiel stand – alles!
    Ein dünnes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Er wusste, dass es ihm möglich war, das scheinbar Unausweichliche

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