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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Flora, die er nun für die Sarazenin holte, denn ihr eigenes Reittier war tot.
    Die Dirne Joana konnte sich nicht von der toten Belinda losreißen. Sie hockte neben ihr auf dem Waldboden und wischte mit etwas Wasser aus ihrer hölzernen Feldflasche das Blut aus dem Gesicht der Freundin, strich ihr das blonde Haar aus der Stirn. Mit geschlossenen Augen sah sie aus wie immer, friedlich, fast zufrieden. Sie war als Hure gestorben, aber im Geiste sah Joana sie nun bei den Engeln, neben Maria Magdalena an der Seite des Herrn sitzen. Mit einem schmutzigen Ärmel wischte sie sich über die verweinten Augen. Eine unendliche Müdigkeit hatte sie erfasst. Zu gern hätte sie sich zu Belinda gelegt und sie begleitet, nur fort aus dieser hässlichen Welt.
    »Joana. Wir müssen weiter«, rief Jori vom Wegrand.
    Verwirrt fuhr sie hoch. »Sie muss doch begraben werden.«
    »Keine Zeit. Wir können hier nicht bleiben.«
    Kein Begräbnis für Belinda? Nicht einmal das? »Wir können sie doch nicht einfach liegen lassen.«
    »Komm jetzt«, rief auch Elena. »Das Heer wartet nicht.«
    »Aber die Tiere werden sie fressen«, flüsterte Joana zu sich selbst. Und sie fing wie eine Wilde an, mit bloßen Händen Erde, Laub und kleine Zweige zusammenzukratzen und über ihre tote Freundin zu häufen. Nur das Gesicht ließ sie frei. Sie konnte sich nicht dazu bringen, das Gesicht mit Dreck und faulem Laub zu bedecken.
    »Was machst du da?«, hörte sie Elenas Stimme an ihrer Seite. Auch Jori war da und wollte sie wegziehen.
    »Lasst mich! Die Tiere.«
    »Aber das nützt doch nichts«, sagte Elena. »Sie ist tot und spürt nichts mehr. Komm jetzt, Kind. Wir müssen weiter.«
    Die beiden fassten sie unter die Arme und zogen sie von der Leiche weg. Es war für Joana, als beginge sie Verrat an ihrer Freundin, und doch ließ sie sich widerstrebend fortführen. Blind vor Tränen stolperte sie über eine Wurzel und war dankbar für Joris Arm um ihre Schultern.
    Als sie das Schlachtfeld weiter bachaufwärts erreichten, erfasste die Frauen unbeschreibliches Grauen, denn was sie nun an abgetrennten Gliedern und kopflosen Leichen sahen, war kaum noch zu ertragen. Joana musste sich übergeben. Und sie war nicht die Einzige. Das Jüngste Gericht am Ende aller Tage konnte nicht schlimmer aussehen.
    Irgendwo in diesem blutigen Durcheinander fanden sie Arnaut und seine Gefährten, die sich erschöpft um ihn und seine Standarte gesammelt hatten. Auch Lois Bernat war mit dem Hengst Amir wieder aufgetaucht.
    Als Elena Arnaut unversehrt wiederfand, konnte sie die Tränen nicht länger zurückhalten. Nach seinem verrückten Angriff am Mäander war sie sicher gewesen, ihn heute nicht mehr unter den Lebenden zu finden. Halb aus Erleichterung und weil das gerade Erlebte mit erneuter Wucht über sie herfiel, brach sie in die Knie und schlug schluchzend die Hände vors Gesicht. Während des Angriffs hatte sie sich nur um die Geburt des Kindes kümmern wollen, hatte Schrecken und Gefahr ausgeblendet. Aber jetzt, auch als Arnaut sich neben sie niederkniete und sie beruhigend in den Armen wiegte, zitterte sie noch lange am ganzen Leib. Als schließlich
Fraire
Aimar darauf bestand, sich um ihre Wunde zu kümmern, ließ sie es geschehen.
    »Wie schlimm ist es?«, fragte Arnaut besorgt.
    »Nur oberflächlich, glaube ich.« Aimar hatte die Verletzung mit dem Rest des Wassers aus seiner Feldflasche gespült und wischte ihr nun notdürftig das Gesicht sauber. »Es blutet jedenfalls nicht mehr.«
    Arnaut strich ihr fürsorglich über die Wange und wollte etwas Aufmunterndes sagen, aber dann unterließ er es. Im Angesicht des Elends um sie herum konnte es nur hohl und lächerlich klingen. Er bemerkte die Sarazenin auf Aimars Maultier und das schrumpelige Gesichtchen eines Säuglings in den Falten ihres Umhangs. Munira bedachte ihn mit einem Blick aus dunklen Augen, die noch von Angst gezeichnet waren.
    »Ich danke Euch,
Senher
«, sagte sie. »Und Elena.«
    Er nickte ihr zu. »Jetzt müssen wir den Vater finden.«
    »Ich glaube, sie würde lieber bei uns bleiben«, warf Elena ein, die sich sichtlich beruhigt hatte.
    »Zum Glück warst du in ihrer Not zur Stelle. Aber die Frau gehört Josselin. Das heißt, wenn er noch lebt.«
    »Er lebt«, bestätigte Esteban. »Ich hab ihn gesehen.«
    »Wundert mich nicht. Bastarde wie der überleben doch alles«, zischte Elena. »Es sind immer nur die Guten, die sterben.«
    In der Tat war Arnauts Truppe zu einem traurigen Häuflein

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