Die Hure Babylon
Lasttieren und Kriegsgerät gar nicht zu reden. Deshalb hatten die meisten gefordert, den verdammten Aquitanier auf der Stelle hängen zu lassen.
Selbst Alienors Fürsprache hätte ein solches Urteil nicht abwenden können, wäre da nicht Amédée de Savoie als zweiter Befehlshaber der Vorhut mitschuldig gewesen. Bei allem Wunsch nach Gerechtigkeit konnte Louis nicht gut seinen eigenen Onkel aufknüpfen lassen. Und wenn er Amédée verschonte, musste er Rancon notgedrungen ebenfalls laufenlassen.
»Von nun an,
Monseigneur
«, sagte er schneidend und bedachte auch seinen Oheim mit einem vernichtenden Blick, der wenigstens den Anstand hatte, rot zu werden. »Von nun an werdet Ihr, außer Eurem verdammten Gaul, niemandem mehr Befehle erteilen.«
Ob es Rancon bewusst war, wie knapp er dem Tod durch den Strang entgangen war, ließ sich nicht sagen. Er rang verzweifelt nach Haltung und war doch totenbleich geworden.
»Sobald wir Attalia erreichen«, fuhr der König fort, »werdet Ihr das nächste Schiff in die Heimat nehmen, habt Ihr mich verstanden? Und nun geht mir aus den Augen. Ich will Euch nicht mehr sehen.«
Nachdem Rancon zutiefst beschämt die Versammlung verlassen hatte, herrschte einen Augenblick lang Schweigen. Amédée wusste nicht recht, wo er hinschauen sollte. Der König aber musterte die Umstehenden. Eine grimme Entschlossenheit schien von ihm auszugehen.
»Messeigneurs«,
sagte er. »Wir sind zu der Erkenntnis gelangt, dass Wir einiges in der Führung des Heeres ändern müssen. Seit unserem Aufbruch aus der Heimat haben Wir unter Streitereien und Eigenmächtigkeiten der einzelnen Fürsten zu leiden gehabt. Es hat durchweg an Zucht und Ordnung gemangelt. Rancon ist dafür nur das neueste Beispiel, diesmal mit verheerenden Folgen.«
Sie wussten genau, was er meinte, und senkten betreten die Köpfe.
Und dann machte der König eine erstaunliche Ankündigung.
»Nur ganz wenige von uns, und ich zähle mich selbst dazu, haben Erfahrung in der Führung einer großen Heermacht wie dieser. Deshalb haben Wir beschlossen, jemanden damit zu betrauen, der diese Erfahrung besitzt und unser aller Vertrauen genießt. Großmeister Everard de Barres.«
Der König hatte vor, die Führung der
militia
abzutreten? Ein erstauntes Gemurmel hob an. Ein unerhörter Vorgang. So etwas hatte es noch nie gegeben.
»Ich bitte Euch,
Grand Maître
«, sagte der König und gab dem Großmeister die Erlaubnis, die Einzelheiten vorzutragen.
Everard erhob sich. Man sah ihm an, dass er sich noch schwertat, in dieser Rolle vor ihnen zu erscheinen. Aber dann trat er einen Schritt vor und erklärte mit ruhigen Worten den Versammelten sein Vorhaben.
»Im Krieg,
Messeigneurs,
ist keine Zeit für langes Gerede oder für Querköpfe, die nach eigenem Gutdünken handeln, so tapfer sie im Einzelnen auch sein mögen. Das kann nur zum Untergang führen, wie wir gestern gesehen haben.«
Trotz ihrer Überraschung hörten sie aufmerksam zu, denn sie hatten ihn als einen Mann der Einsicht und Klugheit schätzen gelernt.
»Gemeinsame Beratungen werden natürlich weiterhin stattfinden, wann immer die Zeit dazu gegeben ist.« Jetzt wurde seine Stimme schärfer. »Ansonsten verlange ich von allen Ordnung, Verlässlichkeit und absoluten Gehorsam. Befehle kommen vom Heerführer und werden von allen Gliedern des Heeres sofort und ohne Murren befolgt.«
Sie starrten ihn mit großen Augen an. Solche Töne war man nicht gewohnt. Schließlich waren sie dem König freiwillig und mit ihren eigenen Männern gefolgt, nicht um sich herumkommandieren zu lassen.
»Und das schließt mich mit ein«, warf der König rasch ein, als er ihren Unmut spürte. »Ab heute bin ich nur Anführer der königlichen Garde und unterstelle mich ganz und gar der Führung des Großmeisters.«
Die Männer trauten ihren Ohren nicht. Was zum Teufel ging hier vor?
»Ich weiß, dies alles ist höchst ungewöhnlich«, sagte Everard mit einem verständnisvollen Lächeln. »Aber wir haben noch einen langen Weg durch gefährliches Gebiet vor uns, und weitere Verluste können wir uns nicht leisten. Es ist deshalb unerlässlich, dem Wunsch des Königs mit aller Deutlichkeit zu entsprechen. Um dies zu gewährleisten, haben der König und ich entschieden, dass jede Kampfeinheit einen meiner erfahrenen Tempelritter zur Seite gestellt bekommt. Sie werden Euch als Berater dienen und sind gleichzeitig mein verlängerter Arm, um sicherzustellen, dass alle Teile des Heeres gut
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