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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Männer im Schlaf ermordet wurden. Hätten sie einen der Bastarde erwischt, dann wäre Pfählen noch die mildeste Rache gewesen. Aber die Angreifer blieben unsichtbar, was sie nur noch beängstigender machte.
    Eines Abends saßen Arnaut und seine Gefährten um ein gewaltiges Lagerfeuer unter einem eisig funkelnden Sternenhimmel. Sie hatten sich Decken um die Schultern gelegt und starrten gierig auf das Stück Pferdeschulter, das an zwei Spießen briet.
    Ferran hockte vor den Flammen und rieb sich die rissigen, schwieligen Hände. »Von vorn wird man geröstet und hinten friert man sich den Arsch ab«, murrte er.
    Bisher eine Quelle der Zuversicht und Seelenstärke, war Ferran in der letzten Zeit etwas mürrisch geworden, wirkte oft gereizt und ungeduldig. Vielleicht weil er nicht mehr der Jüngste war, litt er mehr unter den Strapazen.
    »Einmal wenden, dann garst du von beiden Seiten«, spottete Severin. Er stach mit dem Dolch ins Fleisch, um zu sehen, ob es durch war. Der Bratenduft quälte ihre hungrigen Mägen.
    »Ich schwöre, ich fasse mein Lebtag kein Pferdefleisch mehr an«, behauptete Esteban. Auch er wirkte bedrückt. Seine glockenklare Gesangsstimme hatte sie schon lange nicht mehr erfreut.
    »Sei froh um jeden Bissen,
mon gartz
«, brummte Severin. »Das ist nämlich dein letzter. Für die nächsten Tage sieht’s schlecht aus.«
    »Und wenn du deins nicht willst«, sagte Ferran, »ich nehm’s dir gerne ab.«
    Auch wenn sie über Esteban lachten, aber ihre treuen Gäule zu verzehren fiel auch den anderen schwer. Mangels Besserem hatten sie von den Tieren gelebt, die am Kadmus umgekommen waren und deren Fleisch sich dank der Kälte gehalten hatte. Denn auch Salz zum Pökeln war nicht vorhanden. Aber nun würden sie die nächsten acht Tage bis nach Attalia hungern müssen, außer sie schlachteten noch mehr von ihren wertvollen Pferden und Maultieren.
    Ferran ließ sich unter Stöhnen auf dem Sattel nieder, den er als Sitz benutzte. Seit Tagen plagten ihn eitrige Geschwüre am Hintern. Verdrossen betrachtete er seine zerschlissenen Stiefel. Lange würden sie nicht mehr halten.
    »Zu saufen gibt’s auch nichts mehr«, klagte er.
    »Stimmt«, grinste Severin, den bisher nichts anzufechten schien. Er jammerte selten und nahm meist alles mit einem Lachen oder Schulterzucken hin. »Dazu kann ich nur sagen, nüchtern bist du noch unerträglicher als besoffen. Wenn wir ankommen, schenk ich dir ’n Fass vom Besten. Da kannst du dich reinsetzen und deine Läuse ertränken.«
    Dafür erntete er müdes Gelächter, denn Läuse hatte fast jeder. Auch an Furunkeln, Frostbeulen, Durchfall und Würmern litten viele. All das war noch erträglich. Aber wer starkes Fieber bekam, der war oft verloren. Täglich musste das Heer Kameraden am Wegrand zurücklassen. Am Anfang waren es nur Verwundete gewesen, fauliger Wundbrand die übliche Todesursache. Inzwischen aber starben immer mehr auch an Lungen- oder Fleckfieber, Unterernährung oder Erschöpfung.
    Dieser ständige Aderlass an Menschenleben hinterließ bei den Mannschaften tiefe Niedergeschlagenheit. Niemand wollte es sich anmerken lassen, dennoch war jeder Schritt durch dieses Land von schleichender Furcht begleitet. Ein nicht enden wollender Marsch in den Tod.
    »Stimmt es eigentlich, ihr habt den König gerettet?«, fragte Joana, die das Fleisch sorgfältig zerteilte und jedem seinen Anteil auf der Messerspitze reichte. »Oder hat Severin nur aufgeschnitten?«
    Joanas plötzliche Keuschheit hatten die Männer erst mit Erstaunen, dann mit Humor aufgenommen. Gewiss nur eine vorübergehende Laune, meinten sie. Durch die Mühsal und die tägliche Bedrohung waren sie eine eingeschworene Gemeinschaft geworden, und das schloss Frauen wie Joana mit ein, auch wenn sie mal nicht den Schoß öffnen wollte. Dieser Tage stünde einem der Sinn ohnehin nicht nach Fleischeslust, und man würde gern auf sie warten, raunten ihr nicht wenige zu.
    »Von wegen aufgeschnitten«, verteidigte sich Severin. »Es ist wahr, wir haben ihn rausgehauen.«
    »Die Türken hatten ihn zum Glück nicht erkannt«, fügte Arnaut hinzu. »Er trug nur ein einfaches Kettenhemd. Sonst wären sie ihn stärker angegangen, und wir säßen wohl auch nicht mehr hier.« Er sah müde aus, hatte tiefe Schatten unter den Augen und beteiligte sich nur selten an den Gesprächen.
    »Hat er sich wenigstens bedankt?«, fragte Elena.
    »Hat er«, erwiderte Severin.
    »Und was hat er euch versprochen? Doch mindestens ein

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