Die Hure Babylon
Säuglingen im Arm, drängten sich mit schreckensweißen Gesichtern um Ferrans Ritter. In geschlossener Gruppe eilten sie zwischen den Zelten hindurch und folgten den vielen Frauen, Mönchen und Pilgern, die zusammenströmten und sich immer dichter unter den Mauerbogen der Stadttore drängten. Als sich vereinzelt türkische Pfeile bis in die verängstigte Menge verirrten und erste Opfer forderten, drohte Panik auszubrechen.
»Warum geht es zum Teufel nicht weiter?«, donnerte Ferran. Dann herrschte er Aimar an: »Lass das verdammte Maultier zurück. Du siehst doch das Gedränge.«
Aber Aimar wollte das Halfter nicht loslassen, legte sogar schützend einen Arm um den Hals seiner treuen Flora. Sie trug sein mageres Gepäck und vor allem seine wertvollen Bücher, für die er lieber gestorben wäre, als sie aufzugeben.
»Ist es zu fassen?«, rief einer der Männer entsetzt, ein gewisser Duran. »Die haben doch tatsächlich die Tore verrammelt.«
Und jetzt sahen es alle mit Schrecken.
Byzantinische Soldaten standen auf den Wehrgängen mit Armbrüsten im Anschlag. Und die waren nicht gegen die Türken gerichtet. Einige der Pilger versuchten die Mauer zu erklimmen, aber gezielte Schüsse aus griechischen Armbrüsten bereiteten diesen Versuchen ein schnelles Ende. Ein Aufschrei des Entsetzens aus tausend Kehlen war die Antwort.
Angstvolle Blicke bestätigten, dass die Seldschuken die fränkischen Krieger immer weiter zurückdrängten. Verzweifelt hoben die Menschen unter der Mauer ihre Arme, schrien und flehten die Griechen an, sie endlich einzulassen. Viele fielen auf die Knie und beteten, andere starrten hilfesuchend um sich. Flucht schien unmöglich. Wohin auch?
♦
Die fränkische Reiterei war seit dem Morgengrauen unterwegs. Sie waren der Straße bis hinauf in die Berge gefolgt, von wo die
militia
vor Wochen gekommen war.
Obwohl Kundschafter in mehrere Nebentäler eingedrungen waren, hatten sie außer alten Spuren eines längst verlassenen Lagers nichts von den Seldschuken zu sehen bekommen. Schließlich waren sie umgekehrt.
Inzwischen war es früher Nachmittag, und die Sonne brannte so kräftig herunter, dass man unter der Panzerung ins Schwitzen kam. Die Reiterkolonne, die immerhin noch aus etwa vierhundert Mann bestand, bewegte sich in leichtem Trab heimwärts. Die Tolosaner unter Bertran Sant Gille ritten weit voraus an der Spitze. Bald würden sie wieder im Lager sein.
»Vielleicht haben die Türken aufgegeben«, unterbrach Bertran das Schweigen, laut genug, damit die anderen in seiner Nähe ihn hören konnten.
»Mach dir keine falschen Hoffnungen«, erwiderte Joan de Berzi. »Irgendwo werden sie schon sein. Es gibt noch genug Täler, in denen sie sich verstecken können. Nach ihren Verlusten am Kadmus haben sie uns größtenteils in Ruhe gelassen. Aber ich wette, mit jedem Tag sammeln sie mehr Krieger unter ihre Banner.«
Arnaut stimmte zu. »Höchste Zeit, dass wir von dieser Küste verschwinden.« Er war müde. Die Wunde über seinem Knie heilte zwar, aber schmerzte jetzt nach dem langen Ritt.
»Verschwinden ja. Aber die Frage ist, wie.« Joan zog den Handschuh ab und wischte sich den Schweiß vom Gesicht. »Louis wird uns nicht holen lassen. Wir werden uns allein durchschlagen müssen.«
»Immer fröhlich und voller Zuversicht«, spottete Bertran. »Das ist, was wir an dir lieben, Joan.«
»Kein Grund, sich die Augen zu verschließen«, kam die brummige Antwort. »Wo sind die verdammten Schiffe? Siehst du welche?«
Von der Stelle aus, wo sie sich gerade befanden, konnte man das ferne Meer überblicken. Kein Segel weit und breit zu entdecken. Nur die Mauern und Kirchtürme von Attalia vor ihnen an der Küste.
»Was ist das?« Arnaut deutete auf die Stadt. Schützend hielt er die Hand über die Augen, um besser sehen zu können. Von der Stadtmauer aus trieb der Westwind so etwas wie eine durchsichtige Dunstschliere am Meer entlang. »Ist das eine Wolke? Oder Rauch?«
Sie zügelten ihre Gäule und starrten angestrengt in Richtung Attalia.
»Sieht nach Staub aus«, sagte Joan nach einiger Überlegung.
Sie tauschten erschrockene Blicke. Nur eine große Zahl von Pferden war in der Lage, solchen Staub aufzuwirbeln. Und außer den ihren gab es nur wenige Reittiere in der Stadt. Auch keine Viehherden.
Schlimmes ahnend, befahl Bertran einem seiner Ritter, die Beobachtung an Archambaud de Bourbon zu melden, der die Reiterei befehligte. Dann nahmen sie ihren Weg wieder auf.
Kurze Zeit später trafen
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