Die Hure Babylon
der beteiligten Herrscher und Kirchenfürsten verhieß nichts Gutes für den weiteren Verlauf, besonders im Angesicht des geschwächten Christenheeres. Alfons sah daher den Zeitpunkt gut gewählt, gerade jetzt auf seine angestammten Rechte zu pochen. Louis würde es sich kaum erlauben können, die Tolosaner zu verärgern. Das Spiel um den Besitz der reichen Grafschaft Tripolis konnte also beginnen.
Die Begegnung zwischen Alfons und seinem Großneffen, Raimon von Tripolis, gestaltete sich den Umständen entsprechend frostig. Man bemühte sich zunächst um Höflichkeit, erging sich in unverfänglichen Plaudereien, erkundigte sich artig nach dem gegenseitigen Wohlbefinden, doch die Spannung zwischen den Parteien war äußerst greifbar. Außerdem fand die feurig lebhafte Hodierna es schwer, den Schein höflichen Einvernehmens lange aufrechtzuerhalten, und fing an, giftige Andeutungen zu machen. Und so war es bald unmöglich, noch länger um den heißen Brei herumzureden.
Während es Alfons noch eher gelang, die Ruhe zu bewahren, so schlugen bei seinen Verwandten rasch die Wellen bitterster Empörung hoch. Ob er denn vergessen habe, dass Elvira damals in seinem Namen auf Tripolis verzichtet hatte, eine Behauptung, die Alfons entschieden zurückwies. Außerdem sei seine Mutter nur Regentin gewesen und habe gar nichts von solcher Tragweite in seinem Namen entscheiden können.
Hodierna warf ihm vor, sich all die Jahre einen Dreck um Tripolis gekümmert zu haben. Sie dagegen hätten die Grafschaft gegen alle Feinde verteidigt. Sie hätten daher das Gewohnheitsrecht sowie das Vertrauen der anderen Fürsten in Outremer, denn ohne sie gäbe es überhaupt keine Grafschaft mehr. Was ihm denn einfiele, hier plötzlich aufzutauchen und zu beanspruchen, wofür er nie einen Finger gekrümmt hätte.
Damit lag sie natürlich richtig, doch Alfons entgegnete, Recht sei Recht und solche legitimen Ansprüche verjährten nicht. Wo käme man denn hin, wenn man nicht länger angestammtes Recht achten würde.
Es ging hoch her. Bertran saß benommen dabei, wagte sich nicht an den stundenlangen Wortgefechten zu beteiligen, außer dass er irgendwann fragte, als alle ermattet innehielten, was man denn nun vernünftigerweise tun sollte. Graf Raimon bedachte ihn mit einem verächtlichen Blick. Es war das erste Mal, dass er ihn überhaupt wahrzunehmen schien.
Alfons erklärte, er werde ein Schiedsgericht der Könige und Fürsten einberufen, um seinen gerechten Forderungen Nachdruck zu verleihen. Es treffe sich gut, dass sich König Louis und die Blüte des fränkischen Hochadels im Land befänden, um diesen alten Streit zu seinen Gunsten zu entscheiden.
Das war allerdings das Letzte, was sich Graf und Gräfin wünschten. Plötzlich wurden sie freundlicher und beschworen ihn, gemeinsam doch erst mit Königin Melisende zu reden, mit der man im nahen Caesarea verabredet war. Schließlich sei Tripolis vor allem Teil des Königreichs Jerusalem und wichtiger Bestandteil der christlichen Präsenz in Outremer. Da habe Melisende doch ganz entschieden mitzureden. Sie sei als weise Herrscherin bekannt und würde gewiss eine für alle gerechte Lösung finden.
Dagegen ließ sich wenig einwenden. Und so erklärte sich Alfons bereit, erst einmal nach Caesarea zu reisen. Danach würde man weitersehen.
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Der Hafen von Acre war der sicherste Seehafen der Küste weit und breit, bei jedem Wetter zugänglich und daher von großer Bedeutung für den Handel. Die Stadt selbst lag, durch eine mächtige Festungsanlage geschützt, auf einer vorgeschobenen Halbinsel. Erst nach erbitterten Kämpfen hatte sie sich im Jahr 1104 den christlichen Rittern ergeben. Seitdem blühte der Warenverkehr mit dem Westen. Die Abgaben allein dieser Stadt brachten dem Königreich Jerusalem mehr ein als die gesamten jährlichen Einnahmen des fränkischen Königshauses.
Hier hatte Arnaut gehofft, Bertran und seinen Vater anzutreffen, nur um zu erfahren, dass sie weiter bis Caesarea gezogen waren. Ohne die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu beachten, machten sie sich also wieder auf den Weg und erreichten nach zweitägiger Reise ihr Ziel. Caesarea, von Sand und Dünen umgeben und einst von Herodes nach Caesar Augustus benannt, war ebenfalls ein Handelsplatz und Hafen, jedoch von geringerer Bedeutung. Schon von weitem ließ sich eine bunte Zeltstadt vor den Toren ausmachen. Wimpel und Standarten knatterten in der steifen Brise, die von seewärts her über das Land wehte, und das rote
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