Die Hure Babylon
heim, wo Raimons Erstgeborener, Bertran der Bastard, inzwischen schon Mitte dreißig, die Regentschaft innehielt. Elvira verlangte für ihren Sohn Alfons Jordan die Grafschaft Tolosa als sein rechtmäßiges Erbe. Notgedrungen zog Bertran nach Tripolis, wo er die Belagerung der Stadt, die sein Vater begonnen hatte, erfolgreich zu Ende führte und dort einige Jahre herrschte, bis er im Jahre 1112 verstarb. Nach ihm wurde sein halbwüchsiger Sohn Pons Graf von Tripolis.
So war es zu den zwei Linien des Hauses Tolosa gekommen, die rechtmäßige im Süden des Frankenreiches in der Person des Grafen Alfons Jordan und die Seitenlinie, die von Alfons’ unehelichem Halbbruder abstammte und in Tripolis herrschte.
Der gegenwärtige Graf von Tripolis hieß ebenfalls Raimon wie sein berühmter Urgroßvater, war dreiunddreißig Jahre alt und mit Hodierna verehelicht, einer der vier wilden, unabhängigen Töchter des alten Königs Balduin, eine vielbesungene Schönheit von schlanker Gestalt und rabenschwarzem Haar wie ihre armenische Mutter. Sie war die »ferne Liebe«, die Jaufré Rudel in seinen Liedern so unsterblich gemacht hatte.
Raimon, ihr Gatte, war angeblich ein eifersüchtiger Tropf und dies nicht ohne Grund, wie Lästermäuler behaupteten. Ob das gemeinsame Töchterlein wirklich seines war, wurde von manchen angezweifelt.
Als dieses Paar nun von Josselin de Puylaurens erfahren hatte, dass Alfons Jordan mit seinem Sohn im Anmarsch war und was die beiden wahrscheinlich im Schilde führten, waren sie sehr beunruhigt. Denn obwohl ihre Linie der Familie die Grafschaft Tripolis seit vielen Jahren regierte, so war doch nicht von der Hand zu weisen, dass Alfons stärkere Rechte besaß. Irgendwie, Gerüchte scheinen sich ja immer schneller zu verbreiten, als ein gutes Pferd laufen kann, hatten sie Wind davon bekommen, dass die Königin Alienor gewillt war, Alfons’ Ansprüche zu unterstützen.
In Panik hatten sie Hilferufe an Hodiernas Schwester, die Königin Melisende von Jerusalem, gesandt und waren selbst aufgebrochen, um sich mit ihr auf halbem Wege zu treffen. Nur Melisendes Einfluss, so dachten sie, konnte verhindern, dass sie die Grafschaft verlieren würden.
In Acre stießen sie auf Alfons, der eine Woche zuvor mit seiner Tochter Beatriz und frischen Truppen im Gefolge gelandet war. Auch Bertran war kurz zuvor eingetroffen. Vater und Schwester hatten ihn mit großer Freude in die Arme geschlossen, überglücklich, ihn bei guter Gesundheit anzutreffen.
Alfons war sich unsicher, ob er nach Norden oder Süden ziehen sollte. Gern hätte er sogleich die Grafschaft Tripolis besichtigt, mit der ihn nur noch schemenhafte Bilder aus seiner frühen Kindheit verbanden, auch wenn es ihm weniger darum ging, alte Erinnerungen aufzufrischen, als endlich den Ort seiner Begierde in Augenschein zu nehmen.
In den letzten Jahrzehnten hatte sich der Handel zwischen Ost und West stark ausgeweitet, und der Hafen von Tripolis war zu einem wichtigen Umschlagsplatz geworden, eine sprudelnde Quelle von Steuereinnahmen. Nachdem es ihm vor Jahren nicht gelungen war, die reiche Hafenstadt Narbona in seine Gewalt zu bekommen, war er jetzt umso entschlossener, sich das fette Tripolis nicht entgehen zu lassen.
Alfons’ Barone waren dagegen gekommen, um für Gott zu kämpfen und den Heiden den Garaus zu machen. Deshalb drangen sie darauf, sich so bald wie möglich König Louis im Norden Syriens anzuschließen. Das Ziel des Feldzugs war nach ihrem Verständnis noch immer Edessa. Niemand wusste, was in Antiochia gerade vorgefallen war, obwohl Bertran im Stillen den Vater gewarnt hatte, dass zwischen Louis und dem Prinzen Raimon nicht alles zum Besten stünde.
Andererseits befand sich König Konrad mit kürzlich eingetroffenen Verstärkungen bereits in Jerusalem. Und da Alfons selbst gerade erst aus Konstantinopel angereist war, wusste er, dass die Alemannen weder gegen Edessa noch gegen Aleppo zu ziehen gewillt waren. Das war kürzlich mit dem Basileus verabredet worden, mit dem Konrad verwandtschaftliche Beziehungen verbanden, war doch seine eigene Schwägerin Kaiser Manuels Gemahlin. Letzterer wünschte keine militärische Unterstützung zugunsten des Prinzen von Antiochia, den er selbst erst vor ein paar Jahren bekriegt hatte, um ihn an seine Lehnspflichten zu erinnern.
Die Frage, wie es mit der
militia christi
weitergehen sollte, war somit noch zu klären. Dieses Wirrwarr von unterschiedlichen, sich widersprechenden Zielen und Absichten
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