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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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stand auf dem Spiel, denn Konrad hatte deutlich gemacht, ein Krieg im Norden Syriens käme für ihn nicht in Frage. Louis vermutete den Kaiser von Byzanz dahinter, der verhindern wollte, dass Prinz Raimon durch die Eroberung von Aleppo zu stark würde und sich von Konstantinopel lossagen könnte. Aber vor allem, wie sollte er mit seiner widerspenstigen Frau umgehen?
    »Seht Ihr nicht,
Sire,
welch schändliches Spiel die Königin mit Euch treibt«, wagte sich endlich Bischof Godefroy de Langres vor. »Wie kann sie Euch so bloßstellen?«
    »Dieses Weib hat alle Scham verloren«, giftete jetzt auch der Bischof von Metz. »Sie macht Euch zum Gespött der Leute.«
    Der König saß stumm da, die Lippen zusammengepresst. Am liebsten hätte er sich die Ohren zugehalten.
    »Ist es denn wahr?«, fragte er schließlich.
    Niemand hatte die schändliche Angelegenheit beim Namen genannt, aber alle wussten, was er meinte. Anführer wie Thierry d’Alsace, Renaud de Bar, Guillaume de Montferrat und der Großmeister Everard standen mit ernsten Gesichtern da, enthielten sich jedoch jeder Bemerkung. Nur Amédée de Savoie, der Oheim des Königs, nahm wie immer kein Blatt vor den Mund.
    »Streunenden Katzen dreht man den Hals um«, knurrte er.
    Gequält sah der König zu ihm auf. »Was soll ich denn tun?«
    »Sire«,
meldete sich wieder Bischof Godefroy. »Wir haben viele Rückschläge erleiden müssen. Der Ruf der christlichen Ritter hat gelitten, ebenso wie das Ansehen der Krone. Ihr könnt dem verfluchten Kerl nicht erlauben, Euch auch noch das Weib zu stehlen.«
    »Nein«, flüsterte er.
    »Setz die Hure unter Arrest«, riet Amédée. »Noch heute Nacht. Wir nehmen sie mit, ob sie will oder nicht.«
    »Sie gefangen nehmen?«, fragte der König ungläubig.
    »Es gibt keinen anderen Weg«, bestätigte auch Godefroy.
    Unsicher blickte Louis in die Gesichter der Männer um ihn herum. Einer nach dem anderen nickte grimmig und murmelte seine Zustimmung.
    »Was ist nur aus uns geworden?«, seufzte der König und schüttelte den Kopf. Aber schließlich gab er widerstrebend sein Einverständnis.
    Noch in der gleichen Stunde drangen Krieger der Leibgarde unter Waffengewalt in die Gemächer der Königin ein und setzten sie und ihr Gefolge fest. Die Nacht verbrachte sie tobend vor Wut hinter verriegelten Türen, ohne Möglichkeit, sich mit irgendjemandem zu verständigen. Am nächsten Morgen, die
militia
stand schon zum Aufbruch bereit, wurde sie wie ein Bündel Gepäck auf ihr Pferd gehoben und mit schwerbewaffneten Rittern umgeben, um jede Flucht und jeden Wortwechsel mit den Gastgebern zu verhindern.
    Waren Louis und sein Heer bei der Ankunft mit so viel Hoffnung, Ehren und Begeisterung aufgenommen worden, so schlichen sie sich jetzt wie geprügelte Hunde aus der Stadt. Niemand jubelte, niemand warf ihnen Blumen zu Füßen. Stattdessen regnete es Schmährufe und Demütigungen auf sie herab.
    ♦
    Der alte Graf Raimon Sant Gille von Tolosa, Bertrans Großvater und einer der Befreier Jerusalems, war in seinem Leben dreimal verheiratet gewesen. Die erste Frau, Tochter des Markgrafen der Provence, hatte ihm einen Sohn geschenkt, der ebenfalls Bertran hieß und die Grafschaft erben sollte. Doch dann ließ der Vater die Ehe für ungültig erklären. Wegen zu naher Verwandtschaft. Obwohl es gewiss andere Gründe gegeben hatte. Sicher auch den Wunsch, eine günstigere politische Verbindung einzugehen, denn seine zweite Gemahlin wurde die Tochter des mächtigen Grafen von Sizilien. Dass der Sohn dadurch zum Bastard wurde, nahm er hin, da er auf neuen Kindersegen vertraute.
    Leider vergebens, denn der zweiten Frau blieben Kinder versagt, und so währte auch diese Ehe nicht sehr lange. Zuletzt heiratete er Elvira, eine uneheliche Tochter des Königs von Kastilien. An freudigen Erwartungen mangelte es bei ihr nicht, doch es waren meist Fehlgeburten, oder die Kinder waren schwächlich und starben kurz nach der Entbindung.
    Als Raimon im Jahre 1096 , inzwischen schon weit über fünfzig, sich dem ersten großen Heerzug zur Befreiung Jerusalems anschloss, musste er verzweifelt gewesen sein, noch immer keinen rechtmäßigen Erben zu haben. Und so nahm er seine junge Frau kurzerhand mit auf diesen beschwerlichen Feldzug. Tatsächlich gebar sie ihm in Tripolis einen Sohn, Alfons Jordan. Das Kind war kaum drei Jahre alt, als Raimon verstarb, noch bevor Tripolis selbst gefallen war.
    Elvira hatte bald genug vom Leben in Feldlagern und kehrte mit dem Jungen

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