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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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trotz ihres Standesunterschieds so etwas wie Freunde geworden.
    Als Arnaut Severin das Zeichen zum Aufbruch geben wollte, hielt Bertran ihn zurück. »Warte noch.«
    Er deutete auf einen jungen Ritter, der gerade von einem der Schiffe gesprungen war und mit einem großen Bündel auf der Schulter an Land watete, wo bereits ein blutjunger Knappe mit zwei Pferden und einem Maultier auf ihn wartete. Gemeinsam schnallten sie Waffen, Kettenpanzer und Packtaschen auf die Tiere. Trotz Schwert und Helm waren gewisse Rundungen nicht zu übersehen.
    »Eine Frau?«, fragte er ungläubig.
    Bertran nickte. »Constansa d’Escorralha. Sie ist per Schiff bis Konstantinopel gesegelt und hat auf uns gewartet. Ein Wildfang von einem Mädchen. Völlig verrücktes Weib, wenn du mich fragst. Aber ich kenne die Familie gut und habe versprochen, sie mitzunehmen.«
    »Was zum Teufel will sie hier?«
    »Tu mir den Gefallen und nimm sie in deine Truppe auf.«
    »Ein Weibsbild?«, knurrte Severin, der zu ihnen getreten war. »Wir haben verdammt Besseres zu tun, als Kindermädchen zu spielen.«
    Severin, der sonst dem weiblichen Geschlecht alles andere als abgeneigt war, begegnete allem Ungewöhnlichen zunächst mit Misstrauen.
    Inzwischen hatte das
Weibsbild
Bertran erkannt und kam auf ihn zu. Sie war groß für eine Frau, schlank und doch kräftig, wie die muskulösen Beine bezeugten, die sich unter den noch vom Seewasser triefenden Beinkleidern abzeichneten. Darüber trug sie eine einfache Tunika und einen groben Wollmantel, aber so selbstverständlich wie das Schwert an ihrer Hüfte hing, schien es durchaus dorthin zu gehören. Sie nahm den Helm ab und fuhr sich mit den Fingern durch halblanges blondes Haar. Nase, Kinn und Brauen waren zu ausgeprägt, um sie schön zu nennen, doch insgesamt hatte ihr Gesicht etwas Ausdrucksvolles. Mit Wangen, rot vom Wind, grinste sie ein wenig schief, als sie Bertran begrüßte.
    »Da bin ich«, sagte sie.
    »Ich möchte dir Arnaut de Montalban vorstellen«, erwiderte Bertran. »Er wird sich um dich kümmern.«
    Mit einem Anflug von Unmut runzelte sie die Stirn. »Ich kann mich ganz gut um mich selbst kümmern, Bertran, und werde niemanden zur Last fallen«, entgegnete sie etwas schnippisch und wandte sich dann an Arnaut. »Aber wenn Ihr mich in Eure Gefolgschaft aufnehmen wollt,
Mossenher,
dann soll es Euer Schaden nicht sein.«
    Viel zu überrascht über dieses wehrhafte Weib, das plötzlich in ihrer Mitte aufgetaucht war, brachte Arnaut nicht mehr als ein Nicken zustande.
    »Gut.« Bertran grinste verschmitzt. »Dann seid ihr jetzt vollzählig und könnt abmarschieren.«
    ♦
    Constansa d’Escorralha war als uneheliches Mädchen unter sechs Halbbrüdern aufgewachsen. Sie waren treue Vasallen, aber ziemliche Raufbolde, wie Bertran sich ausdrückte, als er Arnaut die Geschichte erzählte. Der Vater, keinen Deut besser als die Söhne, hatte das Kind nur in einem vorübergehenden Anfall von Mitleid in die Familie geholt, nachdem ihre leibliche Mutter, eine flüchtige Liebschaft, bei der Entbindung verstorben war.
    Nach dem Tod der Stiefmutter, einige Jahre später, hatte Constansa als einziges weibliches Wesen in dieser Familie einen schweren Stand gehabt, zumal die Brüder sie ständig fühlen ließen, dass sie nur der Bankert einer Magd war. Die einzige Möglichkeit, vom Vater ein wenig Aufmerksamkeit und Anerkennung zu erhaschen, war, es den Brüdern gleichzutun, zu reiten und zu jagen, zu lernen, mit Waffen umzugehen.
    »Und warum liegt sie ausgerechnet dir am Herzen?«, fragte Arnaut.
    »Ich weiß nicht. Eine Laune vielleicht«, lachte Bertran. »Oder weil sie ein Bastard ist wie ich.« Jetzt wurde er ernst. »Es ist nicht leicht, so aufzuwachsen. Ich kann ja selbst ein Lied davon singen.«
    »Aber dein Vater hält große Stücke auf dich.«
    »Ich habe es besser, das ist wahr. Die arme Constansa wurde vom Erbe ausgeschlossen, als der Alte starb. Ins Kloster will sie nicht, eine angemessene Mitgift wollen die Brüder aber nicht rausrücken. Wo soll sie also hin?«
    »Und diese Brüder? Sind die nicht im Heer?«
    »Sie gehören zur Leibwache meines Bruders in Tolosa.«
    Arnaut dachte an sein eigenes Kind, das ebenfalls als Bastard geboren worden wäre, und beschloss, so gut es ging, Constansa unter die Fittiche zu nehmen.
    Neben den Kriegern des Königs war das fränkische Heer eine bunte Ansammlung von Truppen aus Bearn, der Auvergne, Lorraine, der Bretagne, der Normandie, Burgund, Aquitania und

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