Die Hure Babylon
Truppen des Kaisers eingeschritten waren, um Übergriffe und Plünderungen zu verhindern. Einmal hatte Herzog Friedrich vor Wut über byzantinische Anfeindungen sogar ein Kloster mitsamt seinen Insassen verbrennen lassen. Eine Tat, die die Griechen zutiefst empört hatte.
»Und du?«, fragte Arnaut. »Wie kommt es, dass wir uns hier wiedersehen?«
»Ach, ich war hier und da. Dann per Schiff nach Konstantinopel und nun bin ich hier. Habe mich wieder meinen Freunden, den Templern, angeschlossen. Hugues de Bouillon wird sich freuen, wenn ich ihm sage, dass du seinem Ruf gefolgt bist.«
»Er weiß es schon. Unterwegs haben wir oft miteinander geredet.«
»Umso besser. Hast du den neuen Großmeister kennengelernt?«
»Everard des Barres?«, fragte Arnaut.
»Wir erwarten Großes von ihm. Ich sage es offen. Ohne die Templer wären wir im Heiligen Land verloren.« Sie waren bei Arnauts Zelten angelangt. »Mein Lager ist nicht weit von hier. Du kannst mich gern besuchen, bevor wir aufbrechen. Du weißt ja, wie mein Zelt aussieht. Wer ist dein Kriegsherr, wenn ich fragen darf?«
»Bertran de Sant Gille.«
Bei diesem Namen verfinsterte sich Josselins Miene. »Nicht etwa dieser Tolosaner Bastard?«
»Was dagegen?«
»Nennt sich Sant Gille. Das sagt doch wohl alles«, knurrte Josselin und zog geräuschvoll die Luft durch die Nase, um in hohem Bogen auszuspucken. »Halt dich von dem besser fern. Er und sein Alter sind nur hier, um Unruhe zu stiften. Aber wir werden es nicht zulassen.«
Damit drehte er sich um und ließ Arnaut stehen, der ihm erstaunt nachstarrte. Wovon,
per deable,
redete der Mann da?
Bevor er über Josselins Worte weiter nachdenken konnte, hob im Lager ein großes Geschrei an. Die Feuer flackerten wieder auf, und Männer mit Bränden in den Händen liefen zum großen Sammelplatz in der Mitte des Lagers.
Als die Freunde dort ankamen und sich durch die Menge drängten, sahen sie ein Dutzend Ritter von den Pferden steigen. Die mussten scharf geritten sein, denn den Gäulen troff der Schaum von Brust und Flanken. Die Reiter sahen erschöpft aus, mehrere trugen schmutzige Verbände über blutigen Wunden.
»Alemannen«, rief Severin. »Was machen die hier?«
Unter den Ankömmlingen war ein hochgewachsener, junger Mann, der ihr Anführer zu sein schien. Als er Helm und Kettenhaube vom Kopf zog, kam feuerrotes Haar zum Vorschein. Mit einer herrischen Geste gab er zu verstehen, dass er auf der Stelle den König zu sprechen wünschte.
»Herzog Friedrich von Schwaben«, raunte ihnen jemand zu. »König Konrads Neffe und Erbe.«
»Da muss etwas Schlimmes geschehen sein«, sagte Aimar.
Schon machten die ersten Gerüchte die Runde. Das Heer der Alemannen wäre geschlagen, die Seldschuken würden bald das Lager angreifen, man solle sich besser wappnen. Viele begannen, ihre Habseligkeiten zu packen und die Waffen zu schärfen. Unruhe hatte das Lager erfasst. An Schlaf war nicht mehr zu denken.
Und dann am frühen Morgen wurde es zur niederschmetternden Gewissheit. In der Nähe von Doryläum war Konrads Heer in einen vernichtenden Hinterhalt der Seldschuken geraten.
♦
Wie um die schlimme Kunde zu bestätigen, tauchten immer mehr von den besiegten Alemannen auf. Erst einzeln, dann in Gruppen. Die meisten zu Fuß, auf den verbliebenen Reittieren nur Verwundete mit notdürftigen, blutdurchtränkten Verbänden. Vereinzelt noch ein Pilger oder Mönch unter ihnen, sogar ein paar Frauen. Von den Kriegern hatten viele Rüstung und Schild weggeworfen, um schneller voranzukommen. Dreckig, erschöpft und durstig wankten sie ins Lager, ließen sich ihre Bürde abnehmen und Wasser reichen. Viele warfen sich auf die Knie und dankten Gott für ihre Errettung.
Wie gelähmt standen die fränkischen Ritter um die Ankömmlinge herum und nahmen das Schauspiel ihrer Scham und Erniedrigung in tiefstem Schweigen auf. Auch wenn man die hastig gestammelten Worte und Erklärungen kaum verstand, das Grauen in ihren Augen war beredt genug. Die
militia christi
gedemütigt. Eine Ernüchterung ohnegleichen erfasste das Heer. Wie hatte Gott dies zulassen können? War Er denn nicht auf ihrer Seite?
Endlich brachten sie auch Konrad auf einem Gaul, ebenfalls verwundet und umringt von den Resten seiner Leibwache. Louis selbst war zur Stelle, als sie den graubärtigen König vom Pferd zogen, und umarmte ihn mit aller Fürsorge, während Friedrich mit seinem flammenden Haar steif und schuldbewusst danebenstand. Denn sein Ungestüm war
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