Die Hure Babylon
Berzi, ein fähiger Reiterführer, den Arnaut noch von früher kannte. Jori hockte zwischen anderen Männern in der zweiten Reihe, zufrieden, dass er dabei sein durfte. Und auch Constansa. Sie sprach mit niemandem, lauschte jedoch aufmerksam auf das, was Arnaut noch aus Großvater Jaufrés Erzählungen zu berichten wusste.
»Die Seldschuken waren Nomaden, bevor sie vor drei oder vier Menschenaltern eingewandert sind«, erzählte er. »Sie stammen aus den Grassteppen des fernen Ostens, wo sie unter den Turkstämmen so viele Krieger finden, wie sie nur brauchen. Sie können mit Pferden umgehen wie kein zweites Volk, und ihre liebste Waffe ist der Bogen, den sie im vollen Galopp treffsicher einzusetzen wissen.«
»Ich habe davon gehört«, sagte Joan de Berzi in seinem grollenden Bass. Arnauts Worte schienen ihn wenig zu beeindrucken. »Leichte Reiterei dieser Art wird uns kaum Schwierigkeiten bereiten.«
»Ihr solltet sie nicht unterschätzen«, bedeutete ihnen einer der griechischen Führer, die den Heerzug begleiteten und ein wenig Fränkisch sprachen. Bruder Aimar, der des Griechischen mächtig war, musste dennoch oft aushelfen.
»Sie sind nicht nur treffsicher«, gab Arnaut zu bedenken, »sondern ihre Pferde sind auch flinker als unsere schweren Gäule. Sie beharken den Feind mit Pfeilen, um ihn zu zermürben, und sind kaum zu fassen, wenn man ihnen nachsetzt. So jedenfalls ist es mir erzählt worden.«
Der Grieche, der in etwa verstanden hatte, nickte dazu. »Sie sind geübt in Scheinangriffen und Hinterhalten«, ließ er durch Aimar sagen.
»Und wie besiegt man sie am besten?«, fragte Bertran.
»Im Nahkampf«, erwiderte Arnaut. »Mit unseren schweren Rüstungen sind wir Mann für Mann überlegen. Man muss sie nur zu packen kriegen.«
»Niemand widersteht einem geballten Angriff fränkischer Reiter«, sagte Bertran mit Überzeugung und wandte sich an den Griechen. »Mein Großvater hat hier in Nicäa die erste Schlacht gegen die Türken gewonnen«, sagte er und ließ Aimar übersetzen. »Raimon Sant Gille. Sagt dir der Name was?«
»Natürlich.« Der Grieche nickte erfreut. »Dann haben wir es ihm zu verdanken, dass meine Heimatstadt wieder byzantinisch geworden ist, nachdem die Seldschuken von Rum sie eingenommen hatten.«
»Rum?«
»Das ist ihr Name für Anatolia«, erklärte Arnaut.
»Wir sind doch
romei
«, grinste der Grieche. »Oströmer natürlich. Und all das Land, das sie jetzt besetzt halten, gehörte einmal Rom.«
Dann redeten sie von anderen Dingen und dachten nicht mehr an die Seldschuken, rühmten sich ihrer Taten auf der Jagd oder bei Wettkämpfen und Turnieren. Und je länger die Weinschläuche kreisten, umso wilder und schauriger wurden die Geschichten.
Als die Runde sich später auflöste und Arnaut und seine Gefährten zu ihren Zelten gingen, lief ihnen im schwachen Schein der Wachfeuer eine Gestalt über den Weg, die Arnaut bekannt vorkam.
»Josselin, seid Ihr das?«, rief er dem Mann hinterher.
»Ah, Montalban.« Josselin hatte sich umgedreht und nun Arnaut ebenfalls erkannt. »Der Mann, der mir noch ein Schwert schuldet.«
»Ich schulde niemandem etwas«, brummte Arnaut.
»Richtig. Du hast es stattdessen Gott versprochen. Ein guter Trick. Aber nichts für ungut. Ich freu mich, dich hier wiederzusehen.«
Arnaut war nicht sicher, ob er sich darüber freuen sollte.
»Ich erinnere mich nicht, dass wir beim Du waren«, sagte er etwas steif.
»Vielleicht nicht. Aber hier sind wir ja nicht bei Hofe. Und unter Kriegskameraden … das sind wir doch jetzt, oder etwa nicht?«
»Kann man so sagen.«
»Erzähl mir von deiner Reise,
companh.
«
Der vertraute Ton gefiel Arnaut nicht besonders, aber wenn der Gesandte der Königin Melisende ihn so anreden wollte, dann würde er sich nicht bäurisch zeigen.
»Verdammt langer Marsch, aber ohne größere Zwischenfälle. Bis wir auf die Nachhut der Alemannen stießen. Die hatten ganz schön unter dem Landvolk gehaust. Wir waren ausgehungert und baten um Proviant. Den wollten sie uns nicht geben, und dabei kam es zu Zwischenfällen.«
»Ja, sie sind ein bisschen wild, diese Alemannen«, lachte Josselin. »Ich habe gehört, es hat Tote gegeben.«
»Selbst die Lotharinger, die ja eigentlich zu ihnen gehören, wollten mit ihnen nicht mehr weiterziehen. Sie haben sich jetzt uns angeschlossen.«
»Die gemeinsame Sprache verbindet, mein Freund.«
Besonders auch mit den Byzantinern waren die Alemannen heftig zusammengerasselt, als die
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