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Die Hure: Roman (German Edition)

Die Hure: Roman (German Edition)

Titel: Die Hure: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Gustafsson
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Fertiggerichte, sie sind von Müttern zubereitete Hausmannskost. Kauf Fleisch, es stammt von einem lächelnden Ferkel, nein, nein, denk nicht an das getötete Tier. Feiere Weihnachten, das ist stimmungsvoll. Glückliche Menschen geben Geschenke und werden beschenkt. Vergiss nicht, Sport zu treiben. Ein anständiger Mensch treibt Sport. Für die blaue Menstruation die supersaugkräftige, von einem globalen Tierversuchskonzern produzierte geflügelte Binde, die in den nächsten hundert Jahren nicht zerfällt.
    Mehr als genug, um einen Menschen in eine Psychose zu treiben. Schnee-Engel. In frisch gefallenem Schnee.
    Doch Phädra hat vergessen, wie strahlend und unglaublich weiß frisch gefallener Schnee sein kann.
    Kurz vor fünf legt sie sich neben Aphrodite ins Bett. Und da begreift sie, dass Liebe und Schönheit in höchsteigener Person zu ihr gekommen sind. Dann schläft sie ein.
    Phädra hat seit Langem, seit einer Ewigkeit, nicht mehr so gut geschlafen. Meistens findet sie gar keinen Schlaf. Das heißt, im Tod findet ja niemand Schlaf; er ist das Privileg der Lebenden. Im Tod ist Schlafen wie das Schneegestöber im Fernsehen. Oder nicht einmal das. Eher Schneegestöber als Standbild. Ohne Ton. Und ohne Deutungsmöglichkeiten.
    Als sie erwacht, sieht sie Aphrodite, die mit irgendetwas beschäftigt ist. Aphrodite liegt auf dem Bauch, ihre Füße wippen in der Luft, sie hat den Oberkörper auf die Ellbogen gestützt und hält in der rechten Hand einen Stift, den sie immer wieder in den Mund steckt. Die Rundungen des Nackens, des Rückens, des Hinterns, der Oberschenkel, der Waden. In den Haaren Farbsprenkel, die Lippen immer noch schwarz.
    Aphrodite schreibt.
    »Was machst du?«
    »Ich habe angefangen, ein Buch zu schreiben.«
    Phädra kriecht aufs Bett, um die Sache zu betrachten. Aphrodite hat Phädras Notizbuch genommen, nur eine neue Seite aufgeschlagen. Die i-Punkte sind Herzen, und an den Rand hat sie Kussmäulchen und irgendwelche Häschen gekritzelt. »Einmal wurden einem Typen die Hoden abgeschnitten und ins Meer geworfen. Das ist nur deswegen interessant, weil damals Venus entstand. Sie war total herrlich und schön, als sie in einer Muschelschale aus dem Wasser stieg. Sie betrachtete die Welt, und die Welt betrachtete sie, denn sie war das Vollkommenste, was man je-je-jemals auf Erden gesehen hatte. Dann wollte sie erotische Abenteuer erleben. Sie ging ans Ufer, zog hochhackige Pumps an und traf Mars, der ihr erster Liebhaber wurde und sie bis an sein Lebensende anbetete. Ihr nächster Geliebter war …« Phädra hört auf zu lesen.
    »Ist das autobiografisch?«
    »Nein. Völlig fiktionisch.«
    »Eine erfundene Geschichte?«
    »Ja.«
    »Keinerlei Übereinstimmungen mit Personen des wirklichen Lebens?«
    »Natürlich nicht!« Aphrodite verliert fast die Nerven, ihre Beine schaukeln heftig. Sie fragt, ob Phädra sie etwa für egozentrisch hält. Phädra wird ernst und sagt, sie finde es toll und respektabel, dass Aphrodite schreibt. Sie glaube, dass Aphrodite viele Kenntnisse und Erfahrungen besitze, die den meisten abgingen, und es sei lobenswert, diese mit anderen zu teilen.
    »Und … Wird Venus irgendwann sterben?«, fragt sie.
    »Hmm. Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ich glaube, eher nicht. Das wäre doch ein bisschen langweilig, oder?«
    »Aber wie endet die Geschichte dann?«
    »Tja. Der Tod wäre natürlich ein logisches Ende. Danach kann nichts mehr kommen.«
    »Wirklich nicht?«
    »Außer, wenn jemand sie aus dem Tod errettet!«
    »Ach. Wer?«
    »Jemand, der noch stärker ist als der Tod.«
    »Ich dachte, die Liebe wäre stärker als der Tod.«
    Aphrodite sieht sie mit leicht schräg gelegtem Kopf an und runzelt die Augenbrauen. »Nein. Hast du diese Geschichte nicht gesehen, mit dem Mädchen und dem Jungen, die Selbstmord begehen oder so?«, fragt sie.
    »Doch, die habe ich gesehen.«
    »Die Liebe ist nicht größer als der Tod. Wieso wäre ich sonst noch hier, Dummerchen?«
    Würde sich diese Szene im Leben abspielen, dann würde Phädra jetzt sagen: »Ich geh Kaffee kochen, möchtest du auch welchen?«
    Aphrodite würde antworten: »Ja klar.«
    Am Frühstückstisch könnte man dann über andere Themen sprechen. Allerdings wäre der morgendliche Friede bereits zerstört. Und jemand müsste bald nach Hause gehen und dort einen einsamen grauen Sonntag verbringen.

    Mutter sagt immer, die Liebe ist ewig, nur ihr Objekt wechselt. Aphrodite unterschreibt diese Behauptung

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