Die Hure: Roman (German Edition)
doch alle, dass ihre weltberühmten Brüste die schönsten und besten sind.
»Ist alles in Ordnung? Du wirkst so … gedankenverloren.« Phädra streichelt ihr übers Haar. So wie Freundinnen das tun.
»Wollen wir irgendetwas Schönes machen?«, fragt Aphrodite.
Phädra erinnert sie daran, dass sie im Tod sind: Die schönen Dinge sind auf der anderen Seite zurückgeblieben.
»Nee, ich meine etwas … Lass uns die Wände streichen! Schwarz!« Schwarz?? Aphrodite ist über ihren eigenen Einfall überrascht.
»Malen wir dann auch ein paar Sterne dazu?«
»Jaaa!«
Sie streichen alle Wände in der Wohnung schwarz.
»Ich habe eine dunkle, tiefsinnige Seite«, erklärt Aphrodite.
Phädra lacht.
»Wirklich!!« Aphrodite malt sich die Lippen schwarz, um ihre Behauptung zu beweisen. Im Tod spielt es keine große Rolle mehr, welches Gift man sich auf die Haut schmiert.
An die schwarzen Wände malen sie goldene und silberne Sterne. Phädra lacht schon wieder.
»Was ist?«, faucht Aphrodite.
»Pentagramme?«
»Wie?«
»Ach richtig, du bist ja dunkel und tiefsinnig.«
Erneut ist Aphrodite ein wenig beleidigt. Sie malt um Phädras Nabel einen Kringel, von dem man nicht recht weiß, was er darstellt. Phädra nimmt den feinsten Pinsel und malt sorgfältig goldene Sterne auf Aphrodites Brustwarzen. Sie sehen ziemlich gut aus.
Die Wohnung wirkt jetzt ganz lustig. Hier kann man es aushalten. Jedenfalls vorläufig. Das Wichtigste ist natürlich, Adonis zurückzugewinnen. Deshalb bin ich ja hier, denkt Aphrodite, obwohl sie in den letzten zwei Tagen vollkommen vergessen hat, dass Adonis überhaupt existiert.
Aphrodite fragt Phädra, wie sie ihren Liebhaber am leichtesten zurückbekommen könnte. Phädra schweigt eine Weile. Dann lacht sie auf und sagt, irgendwie wohl. Aphrodite hat das Gefühl, das Thema ist irgendwie unpassend. Sie sagt, sie denke rein hypothermisch darüber nach. Phädra sieht wieder furchtbar deprimiert aus. Aphrodite muss sich rasch etwas einfallen lassen. Sie kitzelt Phädra, bringt sie aber nicht zum Lachen. Im Tod ist niemand mehr kitzlig.
Dann fällt ihr ein Thema ein, dem keine Frau widerstehen kann. Nicht einmal die finster vor sich hin brütende, stoppelhaarige Phädra.
APHRODITE: Ihre Frisur sieht aus wie ein Hut.
PHÄDRA: Und ihre Hüte sehen aus wie Tortendekor.
APHRODITE: Sie hat übrigens ganz schlecht gemachte Titten. Billigware.
PHÄDRA: Sie ist so oberflächlich und dumm. Ich will keineswegs behaupten, alle oberflächlichen Menschen wären dumm, aber sie ist es.
APHRODITE: Und die Kleider!
PHÄDRA: Diese verfluchte Fünfzigerjahre-Hausfrau und Antifeministin!
APHRODITE: Die ist total von sich eingenommen, sie prahlt andauernd, die alte Fotze.
PHÄDRA : Also, die hat ja auch dieses Buch gemacht, mit Fotos von ihren Titten.
APHRODITE: Kaum zu glauben, dass jemand so was tut.
PHÄDRA: Den Text hat natürlich jemand anderes geschrieben.
APHRODITE: Klar.
PHÄDRA: Trotzdem steht da hauptsächlich leeres Geschwätz über die Läden, in denen sie gern shoppen geht.
APHRODITE: Wahrscheinlich kann sie nicht mal lesen, sie ist ja so unliterarisch.
PHÄDRA: Sie hat so einen merkwürdig leeren Blick, als ob sich in ihrem Kopf überhaupt nichts bewegt. Sie guckt wie eine Rennmaus.
APHRODITE: Ätzend, dass sie immer dasselbe Make-up trägt.
PHÄDRA: Das ist bestimmt tätowiert.
APHRODITE: Und sie trägt Pelze!
PHÄDRA : Man sollte alle Pelzhuren umbringen!
APHRODITE: Genau!
So verläuft der Abend vergnüglich, bis Aphrodite einschläft. Da das Sofa ziemlich unbequem ist, trägt Phädra sie ins Bett. Das Laken wird ein bisschen mit Farbe beschmiert von Aphrodites besternten Brüsten, aber das macht nun wirklich nichts.
In der Küche holt Phädra ihr Notizbuch hervor. Sie beginnt, Wörter aufzuschreiben. Je weiter sie sich vom Leben entfernt, desto schwieriger wird das Schreiben. Sie schreibt Wörter wie Verzweiflung und Schnee. Schwarz. Tod. Nein, das streicht sie durch: Tod gibt es ohnehin schon genug.
Vielleicht Leben.
Vielleicht Schnee-Engel.
Sie sieht Aphrodite im Neuschnee. Lachend. Was für ein Klischee. Der Tod löscht die neuen Bilder in uns aus, nur die alten bleiben. Wie bei der Werbung im Fernsehen, wo sich jahrzehntelang dieselben Bilder und Sätze wiederholen. Vielleicht mit neuen Akzentuierungen und Einfallswinkeln, aber der Inhalt bleibt derselbe. Kauf Parfüm, dann bekommst du Sex. Kauf Zahnpasta, dann bekommst du Oralsex, nein: Anerkennung. Kauf
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