Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hure: Roman (German Edition)

Die Hure: Roman (German Edition)

Titel: Die Hure: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Gustafsson
Vom Netzwerk:
seine runde Brille mit dem Plastikgestell zu behalten. Der Verlagslektor tat ihm so leid, dass er ihm seine geliebte Brille schenkte. Natürlich erst, nachdem er die Nase und die Ohren des Verlagslektors gefunden und dort angebracht hatte, wo sie hingehörten.
    Phädra war beim Zusammenbau nicht besonders sorgfältig vorgegangen. Die Grafiker begutachteten schweigend ihre Arbeit. Verstohlen brachten sie die Körperteile in eine symmetrischere Ordnung. Richtig menschlich wurde der Verlagslektor nicht mehr, aber immerhin konnte er sich bewegen, wenn auch mühsam.
    »Entschuldigung«, sagte Phädra.
    Sie verließ den Freund, den sie hintergangen hatte, und wanderte an den Ort, der für Leute ihres Schlages vorgesehen war.
    Und Hiob sagte ihr nicht, wer ihn gehasst hatte. Und Phädra sagte ihm nicht, wer sie gehasst hatte. Sie spielten nur. Und Hiob wollte lieber die Null sein.

    Aphrodite hat einen schrecklichen Traum.
    Die Jahreszeiten wechseln furchtbar schnell, wie in Naturdokumentationen, aber in willkürlicher Abfolge und in steigendem Tempo. Dann stoppt das Bild im Winter. Im finnischen November, bevor der erste Schnee fällt.
    Die Moderatorin heißt Aphrodite in ihrer Sendung willkommen. Im Studio herrscht Zwielicht, Aphrodite versucht vergeblich, die Kamera zu entdecken, in die sie blicken sollte. Durch das Fenster weht der Wind.
    Die Moderatorin fragt sie, mit welchem Recht sie die Vorsitzende der Partei der Liebe sei. Sie antwortet, sie sei schließlich die Liebe selbst. Die Moderatorin lacht und fragt Aphrodite, wobei sie die Frage allerdings eher an das Publikum richtet, ob sie sich erinnere, wer für ihr egozentrisches Leben zahlen musste. Aphrodite vermutet zunächst, es gehe wieder einmal darum, was ihr Gefängnisaufenthalt die Steuerzahler gekostet hat. Doch die Moderatorin zeigt Aufnahmen von den Ereignissen im Tod.
    Aphrodite sieht Phädra, die sagt, ich habe dich geliebt, und das hast du mir angetan. Meine Göttin, meine Göttin, fügt sie hinzu. Man hat sie ans Kreuz geschlagen, das muss schmerzhaft sein. Aphrodite weint. Sie stammelt, davon habe sie nichts gewusst. Ihr Gegenüber widerspricht, natürlich hast du es gewusst, du bist nicht so dumm, wie du dich stellst. Aphrodite ruft, doch, ich bin dumm. Die Moderatorin erwidert, das bist du nicht, du bist nur SCHLECHT und SELBSTSÜCHTIG . Nein, schreit Aphrodite.
    Dann geh hin und rette sie, meint die Moderatorin. Unmöglich, antwortet Aphrodite. Bei Gott ist alles möglich, schreibt die Moderatorin mit Blut an die Wand. Aphrodite fragt, woher das Blut stammt. Ihre Gesprächspartnerin zeigt ihr, aus wessen Herz sie ein Tintenfass gemacht hat. Das ist ja mein Produzent, haucht Aphrodite überrascht. Bei Gott ist alles möglich, ruft die Moderatorin und schlägt mit den Flügeln.
    Erst jetzt merkt Aphrodite, dass die Fernsehfrau eine riesige Straußenfeder auf der Stirn hat und ihr Blut über das Gesicht läuft, das auf der schwarzen Haut kaum anders aussieht als Schweiß. TU ES , brüllt die Moderatorin und reißt sich die perlgraue Feder aus, und daraus entsteht ein ganzer Straußenvogel, der in den zufrierenden See läuft und schreit: »It might as well, might as well hurt.«
    Aphrodite erwacht in schweißnassen, kalten Laken. Der Produzent steht an der Schlafzimmertür und sieht sie besorgt und ein wenig erschrocken an. Er will fragen, ob alles in Ordnung ist, doch sie kommt ihm zuvor: »Liebst du mich?«
    »Na, öh … Das ist wohl nicht …«
    Auf eine solche Frage gibt es keine vernünftige Antwort. Der Produzent hofft, dass Aphrodite wieder einschläft und dieses peinliche Gespräch vergisst. Doch sie springt aus dem Bett und wühlt in den Kleiderschränken. Sie zieht ein Männerhemd und Wanderstiefel an. Der Produzent schluckt.
    »Los geht’s«, verkündet Aphrodite.
    »Wohin?«
    »Das wirst du bald sehen.« Aphrodite wirft den Produzenten zu Boden und vereinigt sich mit ihm. Dann schlägt sie ihre Fingernägel in sein Herz und reißt es ihm aus der Brust.
    Sie warten auf die Fähre.
    »Es tut mir leid«, sagt Aphrodite.
    »Was ist das für ein Ort?«
    »Irkalla. Ach, wie komme ich denn auf den Namen? Es ist das Jenseits, der Tod.«
    Der Produzent sieht aus wie ein geprügelter Hund. Aphrodite nimmt ihn an der Hand. »Es war die einzige Möglichkeit«, sagt sie wie zum Trost.
    Im Blick des Fährmanns liegen Überraschung und Hohn. Aphrodite nimmt ein paar Geldscheine aus der Tasche des Produzenten und bezahlt die Überfahrt. Sie setzen sich

Weitere Kostenlose Bücher