Die Hure: Roman (German Edition)
ins Boot. Tiefe Trauer überkommt Aphrodite.
An Land ruft sie Persephone an, die sie abholen soll.
Wegen des Misstrauens, das zwischen ihnen herrscht, ist es schwierig, das Gespräch zu beginnen. Die stolze Persephone verzeiht nicht so leicht, dass sie betrogen wurde.
Aphrodite schweigt so lange wie möglich. Dann entschuldigt sie sich. Sie sagt, sie sei unverschämt gewesen und habe falsch gehandelt. Sie habe Persephones Gastfreundschaft missbraucht. Wohl nie werde sie so entzückend aussehen wie Persephone und ganz gewiss nie einen derart feinen Geschmack in puncto Kleidung und allem anderen entwickeln. Dann erklärt sie, sie habe Persephone einen neuen Mann gebracht, als Ersatz für den vorigen.
APHRODITE: Ist der nicht viel mehr nach deinem Geschmack?
PERSEPHONE: Hm. Ich weiß nicht.
APHRODITE: Er hat sogar schwarze Haare.
PERSEPHONE: Das macht ihn nicht unbedingt zum Goten.
APHRODITE: Aber er ist trotzdem ganz niedlich.
PERSEPHONE: Na ja, vielleicht.
Der Produzent will sich nicht von Aphrodite lösen, doch sie schiebt ihn in Persephones Arme. Persephone nimmt ihn entgegen, sie hat sich ein bisschen einsam gefühlt. Eine Weile streichelt sie den Mann und prüft seine Eigenschaften genauer.
PERSEPHONE (überraschend): Was willst du?
APHRODITE: Ich bin gekommen, um Phädra zu holen.
PERSEPHONE: Wen?
APHRODITE : Meine Führerin.
PERSEPHONE: Die heißt nicht Phädra, Idiotin.
APHRODITE: Du weißt aber, wen ich meine.
PERSEPHONE: Warum willst du sie?
APHRODITE: Nur so.
PERSEPHONE: Warum?
APHRODITE: Darum. Bitte!
Persephone hat keine Lust, sich mit Aphrodite um etwas zu zanken, das ihr so wenig bedeutet. Sie nimmt den blassen Produzenten mit und schickt Aphrodite einen Raben als Führer.
»Fährst du den Scooter?«, fragt der Rabe. Er selbst kann nicht Scooter fahren. Er ist ja ein Vogel.
Phädra bietet einen traurigen Anblick. Und traurig wirkt auch Hiob, dem Aphrodite so unvermittelt die bisher ebenbürtigste Mitspielerin raubt.
»Wie heißt du wirklich?«, fragt Aphrodite, als sie ins Leben zurückkehren.
»Sarah.«
»Ist der Name eine Anspielung auf irgendwas?«
Sarah verneint.
Aphrodite führt sie in die Kosmetikabteilung eines Kaufhauses. Keine einzige Verkäuferin kommt an und fragt, womit sie ihnen dienen könne. Das ist gut so, denn Aphrodite hat kaum Geld. Eigentlich gar keins. Sie sucht das »Born Again Ultra Exclusive Re-Incarnating Anti-Millenia Life Eternal«-Serum und verteilt den Inhalt des Testers auf Sarahs Fleisch.
Die Haut wächst zuerst im Gesicht und am Hals. Dann auf den Brüsten, am Bauch und am Rücken. Zuletzt an den Handflächen und Fußsohlen. Aphrodite gibt Sarah ihr Hemd, das heißt, eigentlich gehört es ja dem Produzenten. Ihr selbst genügen die Schuhe als Kleidung.
Am Bahnhof schnorren sie das Geld für die Fahrkarte zusammen. Die Menschen geben es ihnen, weil sie glauben, es handle sich um einen Polterabend-Gag, und keine Spielverderber sein wollen. Mit dem Bus fahren die beiden zum Haus des dahingeschiedenen Produzenten. Auf dem Fußboden in der Diele liegen die Tageszeitung und ein Menschenherz. Aphrodite bringt beides in die Küche und presst für Sarah Orangensaft.
Sarah sagt, sie sei sehr müde. Aphrodite bezieht das Bett frisch und deckt Sarah zu. Endlich hat sie einmal richtig gehandelt.
Der Schöpfer hatte einen schlechten Tag. Nachdem er eine Weile herumprobiert hatte, schuf er die Farbe Schwarz. Dann schuf er alle schwarzen Wesen. Das Schwarze Wasserhuhn, die Krähe, die Schwarzdrossel, die Dohle, den Raben. Den Blutegel und den Kakerlak. Die schwarzen Schlangen, die schwarzen Pferde, die Schwarzen Panther und die schwarzen Schafe. Es blieb noch schwarze Farbe übrig. Der Schöpfer überlegte und überlegte. Er machte Skizzen, er improvisierte. Als die Dämmerung einsetzte, hatte er endlich eine Idee: Er formte eine schwarze Frau. So entstand der erste Mensch der Erde.
Nachdem er die schwarzen Wesen geschaffen hatte, war der Schöpfer irrsinnig gut gelaunt. Er betrachtete die schwarzen Pferde und schuf den Rhythmus. Er betrachtete die Schwarzdrosseln und schuf die Melodie. Und dann betrachtete er die schwarze Frau und schuf die Bewegung.
Die ganze Nacht tanzten und feierten der Schöpfer und die schwarzen Wesen. Als der Morgen dämmerte, stieß die Frau einen markerschütternden Schrei aus. Der Schöpfer fragte, was passiert sei. Die Frau rief, was ist das für ein schreckliches Licht, tu das weg. Der Schöpfer erklärte ihr, das sei die
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