Die Hure: Roman (German Edition)
Gaststätte in den Konkurs getrieben habe.
»Das sieht nicht so toll aus.«
Kalla schweigt.
»Aber gucken wir mal, ob wir nicht doch was für dich finden.« Die Beamtin schaut auf den Bildschirm ihres Computers. »Die Expertenjobs können wir wohl vergessen!«, sie lacht und scrollt über die ersten Seiten hinweg.
Nach fruchtloser Suche entdeckt sie eine Anzeige von Pimp & Pimp: »Möchtest du einen Job, der nicht so wichtig ist? Niedriges Gehalt, mickrige Vergünstigungen. Stellenbeschreibung vage und chaotisch. Keine Aufstiegschancen. Sicher ist nur die Unsicherheit!«
»Diese Personalvermittlung wäre bestimmt das Richtige für dich«, meint die Beamtin.
»Aber ist die Firma nicht …«
»Bei denen kriegst sicher sogar du einen Job.«
Ohne Abschiedsgruß drückt die Beamtin auf den Knopf, der den nächsten Besucher aufruft. Kalla macht ihm Platz. Neben der Tür sitzt ein fünfzigjähriger Türke, der Kalla anstiert. »You whore?«, fragt er. »Fucki fucki.« Er macht eine Fickgeste. Kalla marschiert zügig hinaus.
Erst auf dem Heimweg erinnert sie sich an ihren Mann und kehrt ins Arbeitsamt zurück. Der Türke glotzt sie wieder an und schnalzt obszön mit der Zunge.
Kallas Ehemann unterhält sich mit einer Beamtin mittleren Alters. Oder genauer gesagt, die Beamtin redet auf ihn ein. Kalla unterbricht sie. »Entschuldigung, den hab ich hier vergessen«, murmelt sie.
»Du, wir haben ihm schon einen Arbeitsplatz organisiert. Wir haben so eine Behindertenwerkstatt, wo Plastikschaufeln gemacht werden. Da würde er fast einen Zehner pro Tag verdienen. Er scheint davon sehr angetan.«
»Er ist nicht geistig behindert.«
»Ach so.« Die Beamtin wirkt enttäuscht.
»Ja, er ist nur irgendwie … so.«
»Dann solltest du unsere Zeit nicht mit ihm vergeuden.«
»Entschuldigung, es tut mir leid.«
Die Beamtin blickt demonstrativ auf ihren Monitor und nimmt keine Notiz mehr von ihr.
Im Personalvermittlungsbüro.
»Hach, biste arbeitslos, wie kommt dat denn!«, ruft die kalthändige Leiterin von Pimp & Pimp, als Kalla sich hingesetzt und ihr Anliegen vorgebracht hat.
»Ja.«
»Mir ham schon jeglaubt, du willst gar keenen Job.«
»Jetzt will ich einen.«
»Is recht. Gucken wir mal, wat wir tun können.«
Die Leiterin reicht Kalla einen Bogen, auf dem gefragt wird, welche Arbeiten sie übernehmen kann. Der Bogen sieht so aus:
»Okay«, sagt Kalla.
Die Leiterin setzt ihre Lesebrille auf und betrachtet das Papier. Sie sagt, möglicherweise werde sich Arbeit finden. Man werde Kalla anrufen, wenn etwas Passendes hereinkomme.
»Wie hoch ist der Lohn?«
»Acht Euro sechzich die Stunde. Abendzuschlach neunzich Cent. Exkrementezuschlach kriechste, wenn du Scheiße oder Kotze aufwischen musst.«
»Und bei Pisse?«
»Nur wennste beweisen kannst, dat et welche is.«
Die Leiterin nimmt den Arbeitsvertrag aus der Schublade und reicht Kalla ein Papiermesser.
»Wozu das?«, fragt Kalla.
»Du musst mit Blut unterschreiben.«
Kalla sticht sich in die Fingerkuppe und versucht zu unterschreiben. Der Finger blutet nicht ausreichend. Sie muss sich beide Handflächen aufritzen, bis sie ihren ganzen Namen schreiben kann.
Die Leiterin inspiziert den Vertrag und stellt fest, dass er bindend ist. Sie gibt Kalla die Arbeitskleidung: ein grellrotes T-Shirt, eine orange Weste und eine leuchtend gelbe Hose, die in der Taille und an den Knöcheln spannt, aber überall sonst zu weit ist. Dazu eine Schirmmütze mit dem Logo der Firma.
»Die musste dann tragen, klaro?«
Der junge Bursche am Empfang beschimpft Kalla als Schlampenhurenplattarschbrachse und wirft ihr ein Paket Gummihandschuhe zu.
Arbeit im Büro.
Kallas neuer Arbeitsplatz ist ein siebenstöckiges Bürogebäude. Ihre Aufgabe ist es, die Büroräume zu putzen. Es könnte viel schlimmer sein, denkt sie. Zum Beispiel in der Metro oder in einer Fleischfabrik zu putzen.
In der kleinen Putzkammer zieht sie ihre Uniform an. Als sie wieder heraustritt, betrachtet Silla, die Sekretärin am Empfangstresen, sie prüfend. Die beiden sind ungefähr gleich alt.
»Die Kappe fehlt. Die musst du tragen. Damit wir wissen, wer und woher du bist«, sagt die Sekretärin.
»Aha. Danke.«
Als Kalla den Fußboden in der Verwaltungsetage geschrubbt und den Mopp in die Putzkammer gebracht hat, stupst die Sekretärin ihren mit Kaffee gefüllten Pappbecher vom Tresen, plops, platsch.
»Oh!«
»Im Prinzip bräuchte ich die Stellen, die ich schon gewischt habe, nicht noch einmal zu
Weitere Kostenlose Bücher