Die Hure: Roman (German Edition)

über ihr Leben zu sprechen bräuchten. Dem Direktor erklärte man, er solle doch zufrieden sein, dass man für die Mädels, pardon, die Frauen im Gefängnis einen Kosmetik-Sponsor aufgetrieben hatte.
    Aphrodite fragt »Riitta« also nicht mehr nach deren Exmann, sondern überlegt gemeinsam mit der Friseuse, wie sich Riittas selbst geschnittene Haare in eine Glamour-Frisur verwandeln ließen.
    Nach der ersten Staffel organisiert der Produzent eine Kampagne mit dem Ziel, Aphrodite aus dem Knast zu holen. Tausende unterstützen das Projekt auf Facebook. Dem Präsidenten wird ein Gesuch vorgelegt, in dem er gebeten wird, Aphrodite zu begnadigen, weil sie so schön und so gut ist. Der Präsident überlegt kurz und sagt dann: »In Ordnung.«
    In einer feierlichen Zeremonie und vor laufender Kamera wird Aphrodite aus dem Gefängnis entlassen. Mit ihren schönen weißen Zähnen lächelt sie in die Kamera. Na gut, vielleicht sind sie ein bisschen gebleicht, aber warum auch nicht; gelbliche Zähne wirken ungepflegt. Sie trägt ein legeres T-Shirt, das allerdings an jeder anderen Frau zwickend eng wirken würde, Blue Jeans und eine Baseball-Kappe.
    Der Produzent der Fernsehserie erwartet Aphrodite. Er hat seinem Starlet einen neuen glänzenden Sportflitzer gekauft und ist sehr stolz, den Chauffeur spielen zu dürfen; er wird sogar ein bisschen rot.
    Aus dem Wagen winkt Aphrodite der jubelnden Volksmenge zu. Alles ist plötzlich so schön. Sie fahren aus dem Blickfeld der Kameras und des Publikums. Aphrodite betrachtet die vorbeiziehenden Äcker. Das Schweigen dauert lange.
    Der Produzent wird nervös. Er muss irgendetwas sagen.
    »Alle lieben dich.«
    Aphrodite lacht glockenhell.
    »Wirklich«, sagt der Produzent.
    »Ja … Kann sein«, antwortet Aphrodite.
    »Du warst so nett zu allen und so.«
    Wieder langes Schweigen.
    »Und du bist so schön«, fügt der Produzent errötend hinzu. Seiner Meinung nach gibt es nichts Besseres auf der Welt, als dieses Auto zu lenken, das dahinrollt wie im Traum und in dem die herrlichste Frau des Universums sitzt, die er persönlich entdeckt oder wenigstens wiederentdeckt hat. »Möchtest du Musik hören?«, fragt er.
    »Was für Musik hast du denn?«
    Der Mann streckt den Arm nach dem Handschuhfach aus, merkt aber, dass er Aphrodites festen Schenkeln ungebührlich nahe kommt. Deshalb öffnet er das Fach superschnell. »Da ist Verschiedenes drin«, murmelt er.
    »Was sind das für Bands?«
    »Na ja, ich habe die allerneuesten Platten gekauft. Ich wusste ja nicht, was dir gefällt.«
    »Ach.« Aphrodite mag vor allem Hardrock aus den Achtzigern. In der Hinsicht ist sie verkorkst.
    Schweigend fahren sie weiter, bis zu einem Reihenhaus. Der Produzent rüttelt Aphrodite, die eingeschlafen ist, vorsichtig wach. Sie schreit auf. Der Mann erschrickt. »Was hast du?«
    »Was ist das?«
    »Das ist … na ja, wir haben noch keine Wohnung für dich gefunden. Vielleicht könntest du eine Weile bei mir wohnen?« Der Produzent hatte das Thema eigentlich schon früher anschneiden wollen, aber irgendwie hat er es nicht geschafft.
    »Ich weiß nicht recht«, sagt Aphrodite mit angewiderter Miene.
    »Nur, bis sich etwas Hübsches findet …«
    »Das erinnert ein bisschen an den Tod.«
    »Na ja, es ist nicht so toll …«
    Die Inneneinrichtung ist allerdings ziemlich geschmackvoll. Der Produzent eilt sofort in die Küche, um für Aphrodite frischen Saft zu pressen. Aphrodite entdeckt an der Wand ein gerahmtes Poster, das sie selbst zeigt. Sehr geschmackvoll. Ihre Brüste sehen auf dem Foto sehr geschmackvoll aus. Der Produzent kommt mit einem Glas Saft herein und schlägt seinen eigenen Rekord im Erröten. Er erklärt, er schätze das Werk dieses Fotografen.
    »Aha. Fotografiert er nicht hauptsächlich für den Playboy ?«
    »Auch für andere Zeitschriften«, stammelt der Produzent.
    » Hustler ?«
    »Bitte schön, dein Saft.«
    Aphrodite steht auf dem Gipfel der Popularität. Die Presse verfolgt sie nicht mehr, eher wird sie um seriöse Interviews gebeten. Sie tritt in Talkshows und Modezeitschriften auf und spricht über Dinge, die ihr am Herzen liegen, sowie auch recht oft über Make-up und die Behandlung von Zellulitis, worüber die Frauenzeitschriften gern schreiben. Man fragt sie beiläufig, wer ihr neuer Freund sei, doch diese Frage quittiert sie mit einem Lachen. Sie hat wirklich keinen neuen Freund. Vorläufig wohnt sie bei ihrem Produzenten, der auch ihr Chauffeur ist. Und sich um alles kümmert.