Die Hure: Roman (German Edition)
stecken.
»Sehen Sie mal, da ist ein Haar«, sagt der Gast.
Kalla inspiziert das Fleischstück, das sie gerade serviert hat. Tatsächlich, ein Haar. Ein Schamhaar.
»Das ist unerhört!«
Kalla bittet um Entschuldigung und zupft das Haar ab.
»Das ist doch ungenießbar«, protestiert der Gast. »Ich will eine neue Portion.«
»Entschuldigung. Es tut mir sehr leid«, sagt Kalla und bringt das Fleisch in die Küche. Es fängt schon wieder an zu reden: »Komische Sache mit dem Haar, oder? Unter anderen Umständen könnte ein Mensch so ein Haar durchaus in den Mund nehmen, aber es würde ihm nicht im Traum einfallen, mit den Zähnen Muskeln aus dem Rücken eines anderen zu reißen.«
»Ja, mag sein«, antwortet Kalla.
»Jetzt hör endlich auf, mit dem Essen zu reden, in Drei-Teufels-Namen«, schimpft ihre Chefin, die sich auf Gummisohlen angeschlichen hat.
»Das Essen hat angefangen.«
Die Chefin nimmt das Rippenstück in die Hand, öffnet die Tür zum Hinterhof und wirft das Fleisch hinaus. »An die Arbeit. Sofort.«
Kalla nimmt einen angerichteten Teller und bringt ihn in den Saal.
»Bitte sehr.«
Der Gast erwartet seine Portion mit aufgerichtetem Besteck. Er hat sich die Serviette in den Kragen gesteckt, sie hängt ihm über die Brust wie ein Drachen. Er treibt die Gabel in das Steak, dann das Messer. Aus dem Fleisch quillt Blut. Das ganze Steak schwimmt in Blut. Der Teller füllt sich mit Blut, und das Blut steigt über den Tellerrand, es fließt auf den Tisch und in den Schoß des Gastes.
»Ich hatte Medium bestellt«, beschwert sich der Gast.
»Es ist besser, die Serviette auf den Schoß zu legen.«
»So geht das nicht. Das Zeug kann man nicht essen. Meine Hose ist ganz nass.«
Die Chefin betritt den Saal, eilt zu Kalla und versetzt ihr eine Ohrfeige. Sie ist kleiner als Kalla, muss sich also recken. Dann zieht sie dem Gast die Serviette aus dem Kragen und drückt sie zwischen seine Beine.
»Raus!«, schreit sie.
Kalla geht.
»Nicht du, du bleibst hier. Das Essen, raus!«
Kalla nimmt den Teller, Blut schwappt über. Eine rote Bahn zieht sich hinter ihr in die Küche, als blute sie selbst. Die Leute drehen sich um und starren ihr nach. Manche halten die Serviette vor den Mund.
In der Küche öffnet Kalla die Hintertür und wirft Fleisch und Blut hinaus. Draußen bewegt sich etwas Kleines.
»Du bleibst den Rest des Tages in der Küche«, ordnet die Chefin an. »Du kannst von mir aus putzen.«
Das BBQ Paradies ist ein gutes Restaurant, es kauft das Fleisch im Ganzen ein. Kalla öffnet die Tür zur Kühlkammer. Dort riecht es nach Eisen. Von der Decke hängen zwei Rümpfe. Kalla weiß nicht, von welchen Tieren sie stammen. Sie hängen an Haken, die beide Hinterläufe durchbohren. Alles Essbare ist bereits entfernt. Der Rest muss weggeworfen werden. Kalla schleppt die Kadaver nach draußen. Der eine ist kleiner als der andere. Der größere hat Klauen, der kleinere nur fleischlose, knochige Pfoten.
Auf dem Hof merkt Kalla, dass der Haken ihr die Handfläche aufgerissen hat. Sie hat eine blutende Wunde. An der anderen Hand auch. Die Chefin, die herausgekommen ist, um einen Eimer Bratfett auf die Straße zu kippen, späht ihr über die Schulter.
»Bilde dir ja nicht ein, du bekämst deswegen frei.«
Der Hinterhof des BBQ Paradies ist für die beiden fast eine natürliche Umgebung. Dunkel, stinkend und furchterregend.
Auf den Hinterhof werden Blut, Knochen und Fett geworfen. Und hervorragende Muskelstücke. Sie fressen diese Reste nicht. Auf keinen Fall. Sie befestigen sie an sich. Sie wachsen.
Phobos findet eine Zunge für seinen Mund. Deimos übt, auf Klauen zu stehen.
Jeden Tag werden sie größer. Sie bekommen sogar ordentliche Schädel mit Platz für die Augen, die ihnen allerdings noch fehlen.
Im Schutz der Müllcontainer fühlen sie sich wohl. Aber es wird eine Nacht kommen, in der sie so groß sein werden, dass sie sich hervorwagen.
Die meisten Kunden wollen vor allem Sex. Aber Millas heutiger Freier möchte sie zum Essen ausführen. Milla erklärt, das koste dasselbe. Das stört den Freier nicht. Milla sagt, na gut, gehen wir essen. Der Freier meint, Milla werde den Abend so genießen, dass sie vielleicht sogar vergisst, eine Rechnung zu stellen. Dann sei es vielleicht besser, sagt Milla, dass sie das Geld im Voraus bekomme. Der Freier weist sie darauf hin, dass er selbstverständlich das Essen bezahlen werde. Milla sagt, na klar, wer denn sonst.
Der Freier hat einen Tisch
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