Die Hure: Roman (German Edition)
widersprechen, denn Widerspruch ist in der Regel eine schlechte Lösung.
Sie geht in den Speisesaal, um die nächsten Bestellungen aufzunehmen. Eine Gruppe junger Männer ist hereingekommen. Kalla bleibt einen Moment stehen und streicht ihre Schürze glatt, bevor sie an ihren Tisch tritt. Sie fragt, was es sein darf, und notiert die Bestellungen, wobei sie den jeweiligen Gast ansieht.
Der letzte ist der, den Kalla kennt. Er, Den Kalla Kennt.
Kallas Lächeln gefriert, ihre Wangen zucken. »Was darf’s für dich sein?«, fragt sie.
Der Mann, den Kalla kennt, lächelt und mustert sie von oben bis unten, dann kehrt sein Blick in ihre Busengegend zurück. »Huhn. Bruststücke«, sagt er und bringt die anderen Männer zum Lachen.
»Wir haben kein Huhn auf der Speisekarte.«
»Dann nehme ich dasselbe wie der.« Er zeigt auf einen seiner Freunde, der Kalla angrinst.
Kalla nickt und geht mit unsicheren Schritten in die Küche. Sie ist in dieser Schicht allein, kann also niemanden bitten, den Tisch für sie zu übernehmen. »Bedienung! Bier für alle!«, ruft man ihr nach. Sie hat vergessen, nach den Getränken zu fragen.
Kalla schleppt ein Tablett mit sechs großen Biergläsern. Das Tablett erscheint ihr schwer, sie kann es kaum halten. Früher hat sie es mit einer Hand geschafft, jetzt braucht sie beide. Trotzdem zittert das Tablett, die Biergläser stoßen aneinander, klick klack, klick klack. Die jungen Männer starren sie an. Sie stellt jedem sein Glas hin und kehrt in die Küche zurück. Dabei hört sie die Worte des Mannes, den sie kennt. Er sagt, mit nur scheinbar gedämpfter Stimme, er habe die Kellnerin gebumst. Jemand pfeift. Ein anderer fragt, warum die Frau ihn nicht gegrüßt hat.
Kalla serviert die Gerichte, zuerst drei Teller, dann noch einmal drei. Sie betet beinahe, dass das Fleisch heute keine Zicken macht. Als sie guten Appetit wünscht, lachen die Männer auf, als hätte sie einen Witz gemacht. Sie geht. Jemand kommentiert ihr Äußeres, mit scheinbar gedämpfter Stimme. Es ist ein Kompliment, doch über Kallas Körper laufen kalte Schauder wie elektrische Wellen.
Sie tritt auf den Hinterhof, um frische Luft zu schnappen. Die Luft ist kalt, aber nicht frisch. Der Hof stinkt. Etwas poltert. Der große grüne Müllcontainer kippt um. Ein Geräusch dringt heraus, dröhnend und rasselnd zugleich. Aus dem Schatten kommt ein Tier hervor. Als es in den Lichtkegel der Straßenlampe tritt, sieht Kalla, dass es rot ist. Fleischfarben. Es hat keine Haut, aber Zähne hat es. Und groß ist es, ziemlich groß. Es hat Glubschaugen, die direkt auf Kalla gerichtet sind. Seine Klauen klappern auf dem Asphalt.
Hinter einem anderen Müllcontainer an der Wand kommt ein zweites, kleineres Tier hervor. Es ist ebenfalls rot und hautlos. Es hat keine Augen, nur schwarze Löcher im hellrot und weiß gefleckten Kopf.
Das größere Tier stößt einen Laut aus. Das kleinere schlüpft zu ihm, seine Krallen kratzen leise über den Boden.
Sie stehen vor Kalla, als warteten sie auf etwas.
Im Saal ruft jemand: »Bedienung, wir möchten noch etwas zu trinken!«
Kalla fährt zusammen und blickt über die Schulter. Als sie sich wieder umdreht, hat das größere Tier bereits die Tür erreicht. Es läuft wie selbstverständlich in den Pausenraum und gibt ein röchelndes Geräusch von sich, das dem kleineren, augenlosen Tier die Richtung weist. Sie hocken sich auf den Fußboden.
»Bedienung!«, dröhnt es aus dem Saal.
Kalla bringt Bier an den Tisch, ihre Hände zittern nicht ganz so stark wie vorhin. Während sie serviert, merkt sie, dass einer der Männer schnuppert. Offenbar hat sich der Hinterhofgeruch an sie geheftet. Sie könnte vor Scham tot umfallen.
Als sie den Mann bedient, den sie kennt, kippt das volle Glas um, entleert sich auf seinen Schoß und fällt auf den Boden. Jemand lacht auf.
Der Mann, den Kalla kennt, sagt: »Verdammter Mist.« Er sieht Kalla vorwurfsvoll an.
Kalla nimmt eine Serviette und wirft sie dem Mann auf den Schoß. Er sitzt mit gespreizten Beinen da und presst die Serviette auf die nasse Stelle. Das Glas ist unter dem Tisch zerschellt. Als Kalla in die Hocke geht und die Glassplitter einsammelt, die zwischen den Füßen des Mannes liegen, tut er so, als drücke er ihren Kopf in seinen Schoß. Wie bei einer Fellatio! Kalla merkt es und hebt rasch den Kopf. Er schlägt gegen die Tischkante, das Geschirr klirrt. Sie nimmt die Scherben und eilt in das Hinterzimmer. Dann weint sie.
Kalla hat sich
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