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Die Hure und der Henker

Die Hure und der Henker

Titel: Die Hure und der Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Arlt
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es geheißen, »und habt dem Kurfürsten Wölfe in
die Köpenicker Heide geschickt!« Der Mann hatte geschwiegen und sich willig
verhaften lassen.
    Valentin sah
in den Mond. Groß und rund stand der über den Wiesen, in denen Valentin als
Kind einmal von Stoffel Güldenpfennig, dem Schäfer, gelernt hatte, wie man mit
Feuer und Speck Muster in einen Hirtenstab brennt. Damals hatte er sein erstes
Gedicht geschrieben. »Die Kunst hab ich gelernet/wie man es machen soll/dass
sich der Stab besternet/mit bunten Flecken toll.«
    Die Brüder
vom Rosenkreuz. Dort draußen irgendwo waren sie. Und hätten ihn beobachtet. Wahrscheinlich
schon lange.
    Valentin nahm
Mappen, Hefte, Bücher, Papiere und eine Schale mit Äpfeln von seiner Truhe.
Wohin damit, hierher, nein, dorthin. Er öffnete den Deckel und holte unter
Wämsern, Wäschestapeln, Strümpfen und seinem Hochzeitsbitteranzug ein Buch
hervor, auf dem »Allgemeine und Generalreformation der ganzen weiten Welt« stand. »An die Häupter, Stände und Gelehrten Europas«, las er wieder, er kannte
es ja! Er rückte den Leuchter näher, blätterte, suchte, »… damit endlich der
Mensch seinen Adel… « Nein, was er suchte, stand weiter hinten. »… zuverlässig,
fleißig und verschwiegen…«, sein Finger glitt über die Zeilen. Da! Da war
es: »Das Wort R. C. soll ihr Siegel, Losung und Charakter sein.« Das
war es. Das suchte er. Mespelbrunn hatte seinen Brief zwar mit C. R.
unterschrieben und er würde deshalb nicht antworten, er musste trotz allem
vorsichtig sein, aber hier, hier stand das andere: »… darin wir auch
siebenunddreißig Ursachen anzeigen, warum wir von jetzt an…«
    Siebenunddreißig Ursachen!
Und wie hieß das Buch, auf das Mespelbrunn hinwies? »Siebenunddreißig Gebete
über das große Geheimnis des Selbsttrugs.«
    Zweimal die
siebenunddreißig! Das war doch kein Zufall!
    »… Europa
geht schwanger und wird ein starkes Kind gebären…«
    Er schlug das Buch zu. Sorgfältig
versteckte er es wieder am Boden der Truhe. »Fama Fraternitatis«, »Confessio
Fraternitatis«, »Die Chymische Hochzeit Christiani Rosencreutz anno 1459«,
Valentin Weigels »Hauspostille«, Simon Studions »Naometria« – alle diese Bücher
hatte Heinisch ihm eines Tages in einem bis dahin verschlossenen Schrank
gezeigt und ihm befohlen, sie an sich zu nehmen, bevor man die Bibliothek der
Stadt übergebe. Er hatte sich damals verlegen gewunden, weil ihm klar war, dass
Heinisch von seinem Tod sprach. Den Inhalt der Bücher kannte er nicht, aber
später, als er ihn kannte, wurde der Sinn dieser Weisung ihm klar.
    Er schloss die Truhe, legte
die Mappen, Hefte, Bücher und Papiere, die vorher dort lagen, wieder darauf,
stellte die Schale mit den Äpfeln dazu, löschte das Licht und trat wieder ans
Fenster.
    Lange stand er dort und sah
in die Mondnacht hinaus. Endlich! Jetzt hatten ihn die Brüder gerufen!

 
    10
     
     
     
    Er war es selbst, der sie
damals auf die Idee brachte. Damals, als sie redeten über Sterne und Unsterne,
Kräuter und Unkräuter, Stadt und Land, Rat und Ratsfamilien, Gut und Böse, Adam
und Eva, Täuschung und Enttäuschung, Erkennen und Verkennen und wieder über den
Himmel und wieder über die Sterne und wie er, zur Zeit zahlreicher
Planetenaspekte geboren, eigentlich zu öffentlichem Wirken bestimmt sei und wie
sie, mit dem gebuckelten Mond im Sternbild des Stiers, viel Fantasie und Gespür
haben müsse; und wie Pritzwalk, obwohl nicht am Meere gelegen, Mitglied der
Hanse sei und dass dieser Städtebund manchmal auch gegen Könige war, wobei sie
jene Kaufleute, Männer wie ihren Kober, sehr schätzte, die im Stralsunder
Frieden den Fürsten ihre Bedingungen diktierten, und sie wieder tiefes Mitleid
mit jenem Johann Wittenborg ergriff, den die Lübecker hinrichteten, angeblich,
weil er für einen Tanz mit der dänischen Königin die eroberte Insel Bornholm
zurückgab. Sie redeten darüber, wie die Männer herumkamen, nach Bornholm und
nach Stralsund! Es hatten auch schon Pritzwalker in Bologna studiert! Kober war
in Frankfurt und Wittenberg, er schon in Leipzig gewesen und wie es da sei;
worauf er ihr von den großen Häusern mit den vier oder fünf Stockwerken, den
Kaufmannsherbergen in der Nikolaistraße, »Auerbachs Hof«, dem Brühl und der
großen Waage erzählte. Die Waage sei eine Einnahmequelle der Stadt.
    Sie redeten
von der Stadt und von ihren Familien. »Was? Daniel Kunow?«
    »Sagt bloß,
das wusstet Ihr nicht.«
    Sie redeten
über die

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