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Die Hure und der Henker

Die Hure und der Henker

Titel: Die Hure und der Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Arlt
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in Dunkelheit und Schneematsch hinaus als Boten geschickt.
    Der Rat, alle
acht Personen, denn zu wichtigen Sachen holten die regierenden vier auch den
alten Rat, kam noch spät in eurer Diele zusammen.
    Zwar war Ulla
noch wach, aber aus Gründen der Geheimhaltung musstest du selbst servieren. Du
brachtest aufgeschnittenen Braten und Wein und wusstest ganz genau, was
Valentin dachte.
    Man hatte ihn
vereidigt. Er musste protokollieren. Eigentlich gab es einen Schreiber. Nur war
der nicht zu Hause. Wo er…? Seine Frau wusste nichts. Es wäre zu auffällig
gewesen, ihn in den Pritzwalker Schenken zu suchen.
    »Umzüge rebellierender
Handwerksburschen«, schrieb Valentin.
    Du stelltest
ein Tellerchen mit kaltem Braten neben das Tintenfass und sahst an seinem
Blick, wie zufrieden er war. Die Reformation der ganzen Welt! Rebellierende
Burschen! Jetzt ging es also los!
     
     
    »Und
bewaffnet, sagt Ihr?«
    In
Bürgermeister Joachim Wiemanns Gesicht stand das blanke Entsetzen.
    »Ja, mit
Degen und Rapieren.«
    Das war nicht
gut. Das war ganz und gar nicht gut. Wenn das sich herumsprach!
    »Und sie
haben dem Kanzler ausrichten lassen, sie wüssten sehr wohl, wie lustig es beim
Kurfürsten in Königsberg zugehe.«
    »Man müsste
die schlechten Münzen verbieten.«
    »Da kriegen wir sie auch
übern Hals. Manche sind doch so dumm, die sehen, wenn der Reichstaler jetzt das
Doppelte an Groschen wert ist, nur das Doppelte an Groschen und glauben, es sei mehr Geld!«
    »Und
verbieten kann nur der Kurfürst. Das können nicht wir.«
    »Man braucht etwas, das die
Leute beschäftigt.«
    »Worauf sie
stolz sind.«
    »Und sie
sehen lässt, dass wir uns sorgen.«
    Man beschloss
an jenem Abend den Bau einer neuen Orgel. Größer als die alte sollte sie sein.
Mit zweiunddreißig Registern und zwei Manualen und technisch auf dem neuesten Stand.
    »Schreibt das
auf, Klein: technisch auf dem neuesten Stand.«
     
     
    »Die
Schwierigkeit liegt in der Windzufuhr«, sagte Kober zwei Wochen später, spießte
den letzten von Elsbeths Klößen auf sein Messer und hievte ihn auf seinen
Teller. »Eine große Orgel braucht einen großen Blasebalg, und welcher Riese
soll denn den treten?«
    Judith trat
Valentin unter dem Tisch.
    »In Lüneburg
gibt es einen Orgelbauer, der hat dafür etwas Neues erfunden. Man muss sich
erkundigen. Auch die Kosten erfragen.«
    »Und wann
bist du wieder zurück?«
    Am Vormittag
hatte Kober noch neben Judith am Taufstein gestanden. Sie hatte den Jüngsten
von Caspar Rudloff, der Peter genannt wurde, über die Taufe gehalten. Dann
hatten sie sich beeilen müssen, denn Kober wollte nach dem Essen schon
aufbrechen.
    »Reicht es nicht, wenn du
morgen nach Lüneburg fährst?«
    »Was du heute
kannst besorgen…«
    »Aber heute ist Sonntag.«
    »Entweder ich
bleibe zu Hause und wir haben kein Geld oder ich gehe meinen Geschäften nach
und wir haben Geld.«
    »Als ob die Fahrt
nach Lüneburg wer weiß was einbringt«, sagte Judith beim Abendessen, da war sie
mit Valentin und Elsbeth allein.
    Bald, nachdem
Ulla abgetragen hatte, zog sich Elsbeth zurück. »Soll ich uns Wein holen?«,
fragte Judith und wartete Valentins Antwort nicht ab. Es dauerte nicht lange,
bis sie mit einer bauchigen, staubigen Flasche in die Diele zurückkam.
    Valentin hat
mir erzählt, dass sie damals Patenkinder sammelte wie Fürsten Uhren und Waffen.
    Judith sei Patin, sagte er
mir, bei dreißig oder vierzig Pritzwalker Kindern, kein Mensch wisse mehr
wirklich, wie viele es seien. Er erinnere sich auch nicht mehr an alle, an
Sigismund Schaums Tochter Anna ja, an deren Taufe erinnere er sich, auch an
Müller Köbelochs Katherina, an Wieses Melchior, Steins Maria, Kestens Kathrin,
Stoofens Robert und dass die schlesische Elsbeth damals immer mal wieder den
Kopf schüttelte. »Nu mach ock ‘n Punkt«, sagte sie zu Judith, aber gerade bei
Caspar Rudloffs Sohn ging das nicht.
    Bei dem
konnte sie keinen Punkt machen. Den musste sie über die Taufe halten.
Das war Pflicht. Jemand aus den Ratsfamilien musste es sein. Natürlich
schob man diese Pflicht damals Kober zu, dem Jüngsten im Rat, und der gab sie
als ihr Eheherr an Judith weiter. Die genügte dieser Pflicht ungern. Niemand
hatte gern mit dem Henker zu tun.
    Den man auch
Peinmann, Angstmann, Freimann, Dreißigacker, Meister Hans oder Meister
Hämmerling nannte. Oder Knüpfauf, Beinlein, Kurzab, Packan, ihn, den niemand
sonst anpacken wollte. Der keinen Laden und kein Wohnhaus betreten durfte. Dem
man

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